Streitbare Kollegen

Ein Rechtsanwalt kämpfte bis vor Bundesgericht dafür, dass gegen einen Kollegen ein Strafverfahren eröffnet wird. Nun scheitert der streitbare Kollege auch in Lausanne (BGer 1B_158/2012 vom 15.10.2012). Das Bundesgericht fasst den Sachverhalt wie folgt zusammen:

Er warf diesem vor, sich geweigert zu haben, versehentlich zugesandte Prozessunterlagen wieder auszuhändigen. Zudem habe er zwei gemeinsame Mandanten dazu genötigt, gegen ihn Strafanzeige wegen eines übersetzten Anwaltshonorars einzureichen. Weiter habe er in einem Gerichtsverfahren einen Betreibungsregisterauszug von ihm eingereicht, um so eine Sicherheitsleistung verlangen zu können. Schliesslich seien die Ausführungen, welche er in der Beschwerdeschrift jenes Verfahrens gemacht habe, ehrverletzend gewesen.

Eingetreten ist das Bundesgericht lediglich auf den Tatvorwurf der Ehrverletzung. Dazu hält es in Fortführung seiner Rechtsprechung fest, dass objektiv ehrverletzende Äusserungen durch Art. 14 StGB gerechtfertigt sein können. Prozessual stellt das Bundesgericht klar, dass Rechfertigungsgründe auch bereits der Eröffnung eines Verfahrens entgegen stehen können:

Anders als in Art. 319 StPO, wo die Gründe für die Einstellung des Verfahrens aufgelistet sind, nennt Art. 310 StPO Rechtfertigungsgründe indessen nicht. Dieser Unterschied, auf den weder die Botschaft noch, soweit ersichtlich, die Literatur eingeht, dürfte auf dem Umstand beruhen, dass das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen häufig nicht bereits bei der Eröffnung der Untersuchung erstellt ist, sondern sich erst in deren Verlauf abzeichnet (vgl. in diesem Zusammenhang LANDSHUT, a.a.O., N. 22 zu Art. 319 StPO). Allerdings besteht auch bei einem tatbestandsmässigen Verhalten, das – etwa aufgrund einer Amtspflicht – offenkundig erlaubt oder gar geboten ist, kein Anlass, eine Untersuchung zu eröffnen. Eine Nichtanhandnahme nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO darf deshalb auch dann erfolgen, wenn zwar ein Straftatbestand erfüllt ist, aber offenkundig ein Rechtfertigungsgrund besteht (E 2.6).