Subsidiaritätsprinzip bei der Überwachung Geschädigter

Das Gesetz lässt unter Umständen auch Überwachungsmassnahmen gegenüber nichtbeschuldigten Dritten zu, zum Beispiel die Überwachung von Fernmeldeanschlüssen geschädigter Personen. Eine der Voraussetzungen ist die Subsidiarität.

In einem Enkeltrick-Verfahren gegen unbekannte Täterschaft wollte die Staatsanwaltschaft rückwirkend Randdaten der geschädigten Person erheben. Die zuständige Zwangsmassnahmenrichterin genehmigte die Überwachung unter Hinweis auf die Subsidiarität nicht. Die zu überwachende Person könne die Randdaten ja selbst beim Anbieter beschaffen. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid in Fünferbesetzung (BGer 1B_241/2018 vom 08.10.2018), u.a. weil die Geschädigte damit überfordert sein könnte:

Wenn rückwirkende Randdatenerhebungen bei Dritten zur Aufklärung von Verbrechen verfügt werden, dürfen an das Erfordernis der Subsidiarität der Massnahme keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 1B_265/2012 vom 21. August 2012 E. 2.3.3). Wie die Staatsanwaltschaft nachvollziehbar darlegt, sind ihre bisherigen Bemühungen zur Eruierung der Täterschaft erfolglos geblieben. In der vorliegenden Konstellation bestehen sodann keine ausreichend konkreten Aussichten, dass private Bemühungen der Geschädigten ebenso gut geeignet wären, die Täterschaft genügend rasch und präzise zu identifizieren wie eine hoheitlich verfügte Randdatenerhebung durch die zuständige Untersuchungsbehörde:
Das Betrugsopfer erscheint hier kaum ausreichend in der Lage, die notwendigen Informationen selber bei der Fernmeldedienst-Anbieterin zu beschaffen. Dazu müsste die Kundin rechtzeitig ein schriftliches Ersuchen bei der Fernmeldedienst-Anbieterin um Herausgabe der gesuchten Verkehrsranddaten und Bekanntgabe der Identität der fraglichen Kommunikationsteilnehmer einreichen. In ihrem Gesuch müsste sie ausreichend darlegen und glaubhaft machen, welche Anrufe wann missbräuchlich erfolgt seien (vgl. Art. 82 Abs. 1 FDV). Nach den übereinstimmenden Feststellungen des ZMG und der Staatsanwaltschaft ist die Geschädigte auf den “Enkeltrick” bzw. “Polizeitrick” der Täterschaft hereingefallen. Sie sei bereit gewesen, eine grössere Bargeldsumme an ihr völlig unbekannte Personen in einer fremden Stadt zu übergeben. Vor diesem Hintergrund dürfte die Geschädigte überfordert sein, wenn sie die nötigen Verkehrsranddaten zur Identifizierung der fraglichen Gesprächsteilnehmer selber bei der Fernmeldedienst-Anbieterin beschaffen müsste. 
Nach den Darlegungen der Staatsanwaltschaft erscheinen hier zudem auch die jeweiligen  Antennenstandorte der verwendeten mobilen Anschlüsse der Täterschaft als untersuchungsrelevant. Solche Standort-Daten werden von den Fernmeldedienst-Anbieterinnen jedoch grundsätzlich nicht an direkt anfragende Kunden herausgegeben (vgl. Urteil 1B_265/2012 vom 21. August 2012 E. 2.3.3; Forster, a.a.O., S. 363 Fn. 24; Hansjakob, a.a.O., Rz. 896; Moor/Studer, a.a.O., Rz. 15; s.a. Art. 45b FMG, Art. 81 und Art. 82 FDV). Im übrigen besteht auch ein erhöhtes öffentliches Interesse an der zeitnahen Aufklärung des untersuchten Verbrechens und am Schutz weiterer potentieller Opfer bzw. an der Ermittlung allfälliger analoger Straftaten (E. 4.5, Hervorhebungen durch mich).
Im Anschluss äussert sich das Bundesgericht noch dazu, dass Art. 270 lit. b StPO bei der rückwirkenden Erhebung von Randdaten gar nicht anwendbar sei und dass die schriftliche Zustimmung der zu überwachenden Person u.U. auch nicht notwendig sei:
Die Kriterien von Art. 270 lit. b StPO sind nicht auf die rückwirkende Randdatenerhebung bzw. Teilnehmeridentifikation auf Drittanschlüssen zugeschnitten, sondern spezifisch auf die aktive (inhaltliche) Überwachung von Kommunikationen (BGE 142 IV 34 E. 4.2.2 S. 37; vgl. Forster, a.a.O., S. 361 f.; Hansjakob, a.a.O., Rz. 877). Wenn die geschädigte Person der Überwachung ihrer Anschlüsse schriftlich  zustimmt, sind die einschränkenden zusätzlichen Kriterien von Art. 270 lit. b StPO gar nicht anwendbar. Es genügt dann, wenn das ZMG die Überwachungsvoraussetzungen von Art. 273 StPO überprüft (BGE 142 IV 34 E. 4.2.3 S. 37, E. 4.5 S. 41; Forster, a.a.O., S. 363-366). Aber selbst wenn eine geschädigte Person  nicht ausdrücklich (schriftlich) zugestimmt hat, kann es Konstellationen geben, bei denen das Aufklärungsinteresse dem Privatsphärenschutz vorgehen muss (vgl. BGE 142 IV 34 E. 4.2.3 S. 38; Urteil 1B_251/2013 vom 30. August 2013 E. 5.6-5.7; Forster, a.a.O., S. 365 f.; Hansjakob, a.a.O., Rz. 880).
Die rückwirkende Randdatenerhebung bei Dritten ist grundsätzlich zulässig, wenn eine  untersuchungsrelevante Kommunikationsverbindung zwischen dem überwachten Drittanschluss und anderen Personen oder Fernmeldeanschlüssen erfolgt ist (BGE 142 IV 34 E. 4.3.3 S. 39; vgl. Forster, a.a.O., S. 365-367; s.a. Hansjakob, a.a.O., Rz. 880). Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Überdies wären hier sogar noch die zusätzlichen (auf die aktive Überwachung zugeschnittenen) Voraussetzungen von Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO erfüllt, da die Geschädigte Kommunikationsverbindungen mit den beschuldigten Personen bzw. der noch unbekannten Täterschaft hatte (E. 4.6, Hervorhebungen durch mich).
Das alles war zwar m.E. gar nicht entscheidrelevant, aber das Bundesgericht wollte wohl im Hinblick auf künftige Fälle eine Botschaft loswerden. Zur Publikation vorgesehen ist der Fall aber nicht.
Nicht ganz klar ist mir, wieso in solchen Fällen das Recht der geheimen Überwachungen anwendbar sein soll. Kann mir da jemand auf die Sprünge helfen?