Tatverdacht auch nach Freispruch?

Ein erstinstanzlich vom Bundesstrafgericht Freigesprochener (BStGer SK.2008.18 vom 08.07.2009) verlangte nach Aufhebung des Freispruchs durch das Bundesgericht (BGer 6B_609/2009 vom 22.02.2012; Verletzung der Begründungspflicht bzgl. subj. Tatbestand) im Neubeurteilungsverfahren vor Bundesstrafgericht die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte. Die in der Sache wieder zuständige Strafkammer wies das Gesuch ab, sodass sich der Betroffene an die Beschwerdekammer desselben Gerichts wenden musste. Er machte nach dem erstinstanzlichen Freispruch den fehlenden Tatverdacht geltend, blieb damit aber erfolglos (BStGer BB.2011.145 vom 23.02.2012):

Vorab kann nach Erhebung der Anklage gegen die beschuldigte Person grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der dringende Tatverdacht gegeben ist (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts 1B_234/2011 vom 30. Mai 2011, E. 3.2). Daran ändert vorliegend – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (…) – auch der mit Entscheid SK.2008.18 vom 8. Juli 2009 ergangene Freispruch nichts. Einerseits wurde darin selbst festgehalten, der Beschwerdeführer habe in objektiver Hinsicht eine kriminelle Organisation unterstützt. Das Bundesgericht seinerseits hielt fest, dass die Vorinstanz bei der Verneinung des subjektiven Tatbestandes ihre Begründungspflicht verletzt habe. Sofern der Beschwerdeführer geltend macht, die Vorinstanz hätte sich bei ihrem Beschluss vom Grundsatz in dubio pro reo”, nicht vom Grundsatz in dubio pro duriore” leiten lassen müssen (…), verkennt er, dass die Vorinstanz mit angefochtenem Beschluss nicht über die materiellrechtliche (definitive) Einziehung, sondern lediglich über die Zulässigkeit der provisorischen Beschlagnahme zum Zwecke der Sicherung einer solchen Einziehung zu entscheiden hatte. Auch die Beschwerdekammer hat bei der Überprüfung der Rechtmässigkeit der Beschlagnahme keine erschöpfende Abwägung aller belastenden und entlastenden Elemente vorzunehmen. Diese bleibt der Vorinstanz in ihrer späteren Rolle als Sachgericht vorbehalten. Wie oben bereits festgehalten, gelten im Hauptverfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht für eine Beschlagnahme keine anderen Voraussetzungen als im Vorverfahren (…). Davon, dass hinsichtlich der Vermögenswerte des Beschwerdeführers schon nur mangels Tatverdacht eine spätere Einziehung zum jetzigen Zeitpunkt gänzlich auszuschliessen sei, kann nach dem Gesagten keine Rede sein (E. 3.2; Hervorhebungen durch mich).

Im Ergebnis begründet der Entscheid den erforderlichen Tatverdacht mit der “Fiktion”, dieser sei bei Anklageerhebung gegeben. Das erscheint mir als unhaltbar. Andererseits würde die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte mangels Tatverdachts den Entscheid in der Hauptsache präjudizieren (und die beteiligten Richter als befangen erscheinen lassen?). Der Entscheid ist daher wohl richtig und liegt letztlich auch im Interesse des Beschwerdeführers. Unhaltbar bleibt m.E., dass der Tatverdacht einfach vorausgesetzt wird, bloss weil Anklage erhoben wurde. Die Staatsanwaltschaft hat nicht die Definitionshoheit über das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen, zu denen der Tatverdacht zählt. Am Rande zu bemerken ist, dass die Beschlagnahme keines “dringenden” Tatverdachts bedarf; “hinreichend” genügt.(vgl. Art. 197 Abs. 2 lit. b StPO).