Teilnahmerechte: Rückfall in die Inquisition

Das Bundesgericht hat am 13. September 2018 einen Fall um Beschränkungen der  Teilnahmerechte in öffentlicher Sitzung beraten. Der begründete Entscheid (3:2 Stimmen entsprechend dem politischen Spektrum), der offenbar nicht zur Publikation vorgesehen ist und wesentliche Teile der mündlichen Beratungen auslässt, ist ein Zeugnis dafür, dass das Bundesgericht doch noch nicht bereit ist, Einsicht in wichtige Errungenschaften der Aufklärung teilen zu können (BGer 6B_256/2017 vom 13.09.2018).

Die beschuldigte Person wird in ihrer Stellung als Verfahrenssubjekt wieder eingeschränkt und ein dialektisch ausgestalteter Prozess der Wahrheitsfindung soll erst zugelassen werden, nachdem die Strafverfolger ihre Wahrheit unter Ausschluss der beschuldigten Person bereits bestimmt haben.

Ergebnis: Die Teilnahmerechte können nun bei sämtlichen Beweiserhebungen beschränkt werden, nicht nur bei Einvernahmen von Mitbeschuldigten. Art. 147 StPO ist weitgehend ausgehebelt:

Die in BGE 139 IV 25 in Erwägung gezogene Möglichkeit einer Beschränkung der Teilnahmerechte bei Ersteinvernahmen von Mitbeschuldigten in analoger Anwendung von Art. 101 Abs. 1 StPO im Anfangsstadium der strafrechtlichen Untersuchung hat sich in der Praxis mittlerweile faktisch etabliert [Anm.: faktisch? was heisst das?]; hieran ist festzuhalten [Anm.: hierum ging es doch aber im vorliegenden Fall gar nicht]. Die von der Rechtsprechung aus Art. 101 Abs. 1 StPO abgeleitete analoge Beschränkung der Teilnahmerechte der beschuldigten Person bis zu deren erster Einvernahme ist zudem nicht auf Verfahren mit mehreren beschuldigten Personen beschränkt. Die Staatsanwaltschaft kann demnach das den Parteien nach Eröffnung der staatsanwaltlichen Untersuchung gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO umfassende Teilnahme- und Mitwirkungsrecht an Beweiserhebungen nicht nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen der Art. 108 Abs. 1, Art. 146 Abs. 4 oder Art. 149 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO beschränken, sondern in analoger Anwendung der Grundsätze von Art. 101 Abs. 1 StPO im Einzelfall prüfen, ob sachliche Gründe für eine vorläufige Beschränkung der Parteiöffentlichkeit bestehen (E. 2.2.1, Hervorhebungen und Bemerkungen durch mich).