Telefonieren unter Sicherheitshaft

Das Bundesgericht erlaubt es einem Beschwerdeführer, der wegen Fluchtgefahr in Sicherheitshaft befindet, einmal im Monat während 30 Minuten mit seiner Frau und der schwer kranken Tochter zu telefonieren (BGer 1B_170/2014 vom 12.06.2014). Es zieht dabei die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze zur Auslegung heran:

Die Empfehlungen des Europarates Rec (2006) 2 “Freiheitsentzug – Europäische Strafvollzugsgrundsätze 2006”, welche nicht selbstständig gerügt werden können, aber vom Bundesgericht bei der Auslegung der massgebenden Grundsätze mitberücksichtigt werden (vgl. Urteil 1C_229/2008 vom 18. August 2008 E. 2.3 mit Hinweisen), sehen vor, dass telefonische und andere Kontakte des Gefangenen zu anderen Personen bis auf ein annehmbares Mindestmass eingeschränkt und überwacht werden können, wenn dies für noch laufende strafrechtliche Ermittlungen, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit, zur Verhütung von Straftaten und zum Schutz der Opfer von Straftaten erforderlich ist (Ziff. 24.1 f.).

Je höher die Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr ist oder je stärker der ordnungsgemässe Gefängnisbetrieb – insbesondere die Sicherheit von Insassen und Personal – gefährdet ist, desto restriktiver können die Bedingungen der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft sein. Ein prinzipieller Anspruch der inhaftierten Person, mit Familienangehörigen oder ihr sonst nahe stehenden Personen durch Benützung des Telefons verkehren zu können, lässt sich aus StPO, Bundesverfassung und EMRK zwar nicht ableiten, wenn ihr andere Mittel für die Kommunikation mit der Aussenwelt zur Verfügung stehen (Urteil 1B_26/2009 vom 2. März 2009 E. 3.1 mit Hinweisen). Allerdings können besondere Umstände dazu führen, dass einer sich in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft befindenden Person der telefonische Kontakt zu ihrer Familie in einem gewissen Umfang nicht verwehrt werden darf, sofern keine gewichtigen öffentlichen Interessen entgegenstehen (E. 2.2).

Die Grundsätze werden in der Schweiz chronisch missachtet, wahrscheinlich auch, weil sie kaum einer kennt. Man kann sie auf der Seite des Bundes (hier) beziehen.

Die besonderen Umstände lagen im vorliegenden Fall übrigens in der Krankheit der Tochter. Das war dem Bundesgericht wichtiger als die Befürchtung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer fliehen könnte. Sinngemäss hatte sie geltend gemacht, der Beschwerdeführer könnte im telefonischen Gespräch Fluchtvorbereitungen treffen.
Interessant ist im Übrigen, dass das Bundesgericht das Pferd von hinten aufzäumt:
Ein prinzipieller Anspruch der inhaftierten Person, mit Familienangehörigen oder ihr sonst nahe stehenden Personen durch Benützung des Telefons verkehren zu können, lässt sich aus StPO, Bundesverfassung und EMRK zwar nicht ableiten, wenn ihr andere Mittel für die Kommunikation mit der Aussenwelt zur Verfügung stehen (Urteil 1B_26/2009 vom 2. März 2009 E. 3.1 mit Hinweisen) [E.2 2].
Die Frage wäre doch vielmehr, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kommunikationsfreiheit in Haft beschränkt werden darf (Art. 36 BV).