Therapiebericht als Revisionsgrund
Erstaunlich oft stellen sich psychiatrische Diagnosen, die strafrechtliche Massnahmen indizieren, im Zuge des Vollzugs der Massnahmen als falsch heraus. In einem sehr zu begrüssenden neuen Entscheid hält das Bundesgericht dafür, dass ein Therapiebericht einen Revisionsgrund darstellen kann. Die konkrete Fragestellung definierte das Bundesgericht wie folgt:
Strittig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht geschlossen hat, im Verlauf der stationären Therapie gewonnene medizinische Erkenntnisse stellten keinen Grund dar, um das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichts vom 20. Juni 2017 im Strafpunkt aufzuheben und die Frage der Schuldfähigkeit (Art. 19 StGB) im Lichte des neuen Beweismittels einer neuen Beurteilung zuzuführen (vgl. Art. 413 Abs. 2 f. und 414 StPO; zur Frage der Einholung eines Gutachtens bei Zweifeln an der Schuldfähigkeit: Art. 20 StGB; in BGE 143 IV 397 nicht publ. E. 8.3.2 des Urteils 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017). Nicht strittig ist die unabhängig vom Strafpunkt getroffene Massnahme (vgl. Art. 19 Abs. 3 StGB) [E. 1.2]
Die Frage musste verneint werden:
Der Bericht der Psychiatrischen Universitätsklinik enthält als neues Beweismittel im Sinn von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO Tatsachen, die anscheinend schon zum Tatzeitpunkt bestanden, sich dem früheren Sachverständigen aber nicht erschlossen haben. Wenn bereits dieser Experte der Persönlichkeitsstörung eine paranoide Komponente zugeschrieben hat, so bedeutet dies nicht, dass es nun allein um eine Neubewertung oder andere Gewichtung von gesundheitlichen Tatsachen im Rahmen des ärztlichen Ermessens ginge (…). Sofern sich die im Verlauf der Therapie gewonnenen neuen Erkenntnisse bestätigen, werden die (als solche aus damaliger Sicht durchaus gut nachvollziehbaren, schlüssigen) Einschätzungen im früheren Gutachten gegenstandslos. Damit sind wesentliche Teile des Tatsachenfundaments für die Beurteilung der Strafbarkeit resp. des Strafmasses ernsthaft infrage gestellt. Die Abweichungen des neu erkannten medizinischen Substrats erfordern eine neue Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Damit ist der geltend gemachte Revisionsgrund gegeben. Ob und wie weit sich die neu gestellten Diagnosen effektiv durchsetzen und, gegebenenfalls, welche Auswirkungen dies auf Schuld und Strafe hat, wird Gegenstand der Beweiswürdigung resp. der rechtlichen Beurteilung im neuen Verfahren sein (E. 2.9, Hervorhebungen durch mich).