Thurgauer Fehlurteile kassiert
In einem zur Publikation vorgesehenen Entscheid kassiert das Bundesgericht einen Einziehungsbeschluss mangels Einziehbarkeit (BGE 6B_1194/2018 vom 6.08.2018):
Mit der Gutheissung der Beschwerden der Beschuldigten [vgl. dazu unten] und der damit verbundenen Aufhebung des angefochtenen Urteils entfällt die Grundlage für die Wegnahme der beschlagnahmten Vermögenswerte und deren Einziehung und damit auch für deren Herausgabe an die Beschwerdeführerin (E. 5.3).
Die angesprochenen Gutheissungen sind hier abrufbar: BGer 6B_1199/2018 und BGer 1208/2018, beide vom 06.08.2019. Begründung:
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern für im Ausland begangene Vortaten andere Voraussetzungen gelten sollten, zumal nach der Struktur des Tatbestandes ein Einziehungsanspruch – unabhängig davon, ob es sich um einen in- oder ausländischen Anspruch handelt – nur vereitelt werden kann, wenn er denn tatsächlich besteht. Da im vorliegenden Fall unbestrittenermassen kein schweizerischer Einziehungsanspruch bestand, hätte die Geldwäscherei nur an einem ausländischen Einziehungsanspruch begangen werden können. Nach der im Zeitpunkt der Taten herrschenden deutschen Rechtslage waren die durch den Beschuldigten X. und seine Mittäter ertrogenen Vermögenswerte in Deutschland indes nicht einziehbar. Damit fehlt es an der Grundlage für einen Schuldspruch wegen Geldwäscherei (E. 3.4)..
Schön, dass das Bundesgericht ein Herz für die Profiteure eines der grössten Betrüge der Neuzeit hat. Man kann sich fragen, wo das Fehlurteil wirklich zu orten wäre, Geld stinkt jedenfalls offensichtlich wirklich nicht.
Ob es denn juristisch korrekt ist, die Geldwäscherei allein deshalb zu verneinen, weil ein ausländischer Staat – zum Zeitpunkt der Verurteilung – beim Verbrecherlohn nicht (auch) den Verfall an den Staat, sondern nur die Vollstreckung des Schadenersatzanspruches durch die Geschädigten vorsah, scheint mir eine etwas krude Form der Rechtsvergleichung. Beide Instrumente dienen dem gleichen Zweck und wird durch die inkriminierten Handlungen vereitelt. Auch bei uns ist im Übrigen der Verfall an den Staat nur subsidiär. Aber nun denn. Die Konstellation dürfte hier ohnehin eher einzigartig sein und entsprechend die Tragweite auch gering.
Sie sprechen mir aus dem Herzen – das Problem liegt allerdings darin, dass der Geldwäschereitatbestand gar nie (wie der Hehlereitatbestand) mit der Intention geschaffen worden ist, private Opfer zu schützen, sondern um Beweiserleichterungen im Kampf gegen das vielleicht etwas heraufbeschworene Konstrukt “organisierte Kriminalität” zu schaffen – mit ziemlich “kruden” Konsequenzen (etwa, dass nun beinahe jeder Drogendealer einen weiteren Schuldspruch erhält) – insofern ist das BGer-Urteil, wenn es streng nach juristischen Kriterien bemessen wird (die neben Juristen wohl niemand verstehen wird), durchaus richtig.
Wären dieselben Überlegungen und Erwägungen (etwa zur Rückwirkung) 1:1 auf den umstrittenen Fall der Herausgabe von UBS-Kontodetails an die Pariser Steuerbehörden angewandt worden, hätte das Amtshilfegesuch aus Frankreich und die Beschwerde der EStV gegen das anderslautende Urteil des BVerGer abgewiesen werden müssen. Offenbar weiss in Lausanne die linke Hand nicht, was die rechte tut…