Todesstrafe: Initiative zurückgezogen
Wie Chris bereits gemeldet hat (Danke!), haben die Initianten einen Rückzieher gemacht. Ihre Begründung lässt sich dem Beitrag im Tages-Anzeiger entnehmen. Danach weisen die Initianten auf folgende Punkte hin, die ich in Klammern kommentiere:
- Der heutige Rechtsstaat ist total auf der Seite des Täters [Das hört man immer wieder, ist aber trotzdem blanker Unsinn. Der Rechtsstaat hat jedem Beschuldigten ein faires Verfahren zu garantieren, womit er sich reichlich schwer tut].
- Der Untersuchungsbericht wird rund um die Aussagen des Täters gemacht, es fehlt eine Aussage im Namen des Opfers [Das könnte ja daran liegen, dass die Angehörigen des Opfers ihre Rechte nicht ausgeübt haben].
- Die Hinterbliebenen habe keine Möglichkeit sich zu wehren und sind im Prozess nur als Zuschauer dabei [Das ist schlicht falsch].
- Die Verwahrungsinitiative durch deren Nichtanwendung eine „Volksverarschung“ ist [Die Initianten und das Stimmvolk wussten von Anfang an um die Probleme bei der Umsetzung].
- Ein Täter bekommt Unterkunft, warmes Essen, Unterhaltung und Beschäftigungsmöglichkeiten mehr als jeder ehrliche Obdachlose [und trotzdem würde kein Obdachloser mit dem Gefangenen tauschen wollen].
- Der Täter muss bestraft werden und nicht das Opfer und die Hinterbliebenen [das ist so vorgesehen und wird auch so praktiziert].
- Die Politiker müssen das Rechtssystem endlich auf die Seite des Opfers stellen. Ihr seid jetzt am Ball! [Das Rechtssystem hat sich auf gar keine Seite zu stellen und der Ball wurde durch die Initianten aus dem Spiel genommen. Es besteht ausser beim Initiativprüfungsverfahren überhaupt kein Handlungsbedarf mehr.]
Sehr richtig [in Bezug auf die Kommentare!]. Schlussendlich hat der Verstand doch noch über die Emotionen (seien sie auch noch so berechtigt) gesiegt.
Die heutigen üblichen Strafmasse sind nur als lächerlich zu bezeichnen. So wird die Justiz faktisch zum Komplizen und destabilisiert die ganze Gesellschaft. Die Initiative wirft berechtige Kritik an der Justiz auf.
Ich behaupte ja nicht, dass Kritik an der Justiz nicht angebracht wäre. Ohne Kritik funktioniert nichts so wie es sollte. Und selbst wenn die „Strafmasse“ lächerlich wären (was sie nicht sind), muss man denn gleich die ultimative Strafe fordern? Und wem sollen eigentlich drakonischere Strafen nützen?
Im Hinblick auf die Begründung ist ein Rückzug der Initiative das einzig richtige (aber schade finde ist es irgendwie trotzdem). Die Initianten verlangen ja eine Verbesserung des Opferhilferechts – mit dem Strafmass hat das aber wenig bis gar nichts zu tun.
Im Übrigen ist es doch interessant, wie viel Medienaufmerksamkeit man erhält, wenn man sich nur irgendeine unsinnige Initiatividee ausdenkt…
Ein Quäntchen Staatsrecht:
Wenn ich die Art. 68 ff. des Bundesgesetzes über die politischen Rechte richtig auslege, ist ein Rückzug der Initiative erst nach dem Zustandekommen möglich. Was nicht eingereicht ist, kann m.E. nicht zurückgezogen werden. Richtigerweise ist folglich davon auszugehen, dass die Initiative als nicht zustande gekommen in die Statistik eingehen wird.
Namen mögen zwar Schall und Rauch sein (und die meisten nicht interessieren), der Rückzug dieser Initiative ist von dem her aber nicht ernst zu nehmen sondern Etikettenschwindel.
Interessant ist aber die mediale und politische Vorwirkung die dieser Tabubruch hatte. Es ist zu hoffen, dass es sich um ein Anstossereignis handelt, das dem ernsthaften Nachdenken über die Einführung eines unabänderlichen Grundrechtskatalogs Schub verleiht!
Ein gewisses Mass an Skeptik müsste man einem unabänderlichen Grundrechtskatalog aber auch entgegenbringen. Man bedenke nur, wer diesen Katalog formulieren würde. Die ewigen Moralisten würden die Gelegenheit sicher für den Versuch nutzen, z.B. unabänderliche Schutzrechte bereits ungeborenem menschlichem Leben zu verpassen. Und über diesen fixierten Grundrechtskatalog abstimmen würde letztlich das selbe Volk, welches die Verwahrungsinitiative, die Unverjährbarkeitsinitiative und die Minarettinitiative angenommen hat…
Richtig. In den unabänderlichen Katalog dürfte (von mir aus nebst dem zwingenden Völkerrecht) nur, was im Stimmvolk eine qualifizierte Mehrheit findet, zB 90 %.
Rein staatsrechtlich betrachtet wäre ein erweiterter ungültigkeitskatalog natürlich auch eine wunderbare Möglichkeit, die politischen Rechte der Bürger in Form einer Zensur zu beschneiden. Ich bin mir sicher, dass ein solcher Katalog – wie die bestehende Regelung – aus politischen Gründen ziemlich vage formuliert wäre, um überhaupt konsensfähig zu sein. Ob die bestehenden Schwierigkeiten dadurch gelöst würden, scheint mir zumindest fraglich.
@ kj: mit einem Zustimmungserfordernis von 90% nebst ius cogens wären wir ja genau gleich weit wie heute, oder? Oder wie kriegen wir eine 90% Mehrheit für regionales ius cogens wie das Verbot der Todesstrafe, Kerngehalte der Religionsfreiheit oder grundlegende Verfahrensgarantien hin? – Die Anti-Minarett-Initiative und die Verwahrungsintiative haben schliesslich mehr als 10% Zulauf gekriegt…
Die Initiative wird nun womöglich an sogenannte „Kugelsichere Personen“ weitergegeben werden, die Initianten meinen „wir haben eine Lobby im Rücken“ und wenn Eviline Widmer Schlumpf nicht entsprechend reagieren würde, dann werde die Initiative an diese Leute weitergegeben die keine Problem damit haben ins Schussfeld zu kommen!
Sehr schön wie ich finde, dachte selber ehrlich gesagt auch schon an diese Lösung, selber habe ich momentan genug mit meinem Kampf zu tun, dachte mir aber auch schon, warum führst du das nicht selber weiter…
Mir selber geht es eigentlich weniger ums bestrafen als um Gerechtigkeit für die Opfer, aber anscheinend braucht die Schweiz zuerst ein Denkzettelchen bevor es dann mit der Opferhilfe was wird! 😉
Was hat die Todesstrafe denn bitte mit Opferhilfe zu tun? Viel wichtiger ist, dass es überhaupt mal zu einer Verurteilung kommt – und da nützt die Einführung einer neuen Strafart gar nichts. Im Übrigen haben wir längst eine Opferhilfe und ein entsprechendes Gesetz (das Opferhilfegesetz, OHG).
Eben hat es gar nichts mit Opferhilfe zu tun! Und das OHG gilt nicht für alle Opfer, für solche die zbs. vor 1993 Opfer wurden gibts nicht mal ein OHG, auch wenn die Folgen erst später kommen, auch das OHG ist eben so wie die Unverjährbarkeit NICHT rückwirkend und somit nutzlos für all jene die in der Kindheit Opfer wurden! Deshalb sollte man anstatt immer neue Strafen, mal das OHG überdenken und wenigstens das mal für ALLE Opfer gültig machen, aber anscheinend muss es zuerst ein Denkzettelchen geben bevor man sich dann der Opferhilfe zuwendet… Und ohnehin ist die sogenannte Opferhilfe momentan alles andere als Hilfe, zu viel Bürokratie, zu lange Verfahren und Opfer werden vielfach auch noch desavouiert und verhöhnt, anstatt das wirklich geholfen würde! Warum wohl habe ich ein Rachebedürfnis? Sicher nicht nur weil die Täter nicht bestraft wurden, sonder weil gleichzeitig auch noch die Opferhilfe nicht geholfen hat! Eines ist verkraftbar, beides ist inakzeptabel und führt eben zu einem Rachebedürfnis! In den letzten 3 Jahren habe ich eines gelernt, nämlich dass man selber schauen muss und die Aufgaben von Staatsanwaltschaft, Polizei, Richter und Gerichten als Opfer selber in die Hand nehmen muss, damit es Gerechtigkeit gibt, denn sonst läuft gar nichts!