Totschlag oder Mord? 4 oder 13 Jahre?

Im Kanton Zürich wurde ein Mann erstinstanzlich wegen Totschlags und Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Obergericht erkannte dagegen auf Raubmord und verdreifachte die Freiheitsstrafe auf 13 Jahre. Das Bundesgericht bestätigt dieses Urteil (BGer 6B_799/2014 vom 11.12.2014). Eine solche Diskrepanz ist eigentlich nur erklärbar, wenn das Obergericht einen völlig anders konstruierten subjektiven Tatbestand annahm als das Bezirksgericht.

Weil es dabei ganz offensichtlich auch von der Anklage abgewichen ist (gemäss Bundesgericht allerdings zu Gunsten des Beschuldigten) rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anklagegrundsatzes, blieb aber erfolglos:

Auch bedeutet es keine Verletzung des Anklagegrundsatzes, wenn die Vorinstanz es nicht als erstellt erachtet, dass der Beschwerdeführer den Tötungsvorsatz bereits vor dem Aufsuchen des Opfers gefasst hatte, sondern zu seinen Gunsten davon ausgeht, er habe sich erst nach einem Gespräch mit dem Opfer zur Tat entschlossen. Die Frage, wann der Beschwerdeführer den Vorsatz fasste, bildet Gegenstand der Beweiswürdigung (E. 1.4.2).

Für das Bundesgericht spielte es offenbar keine Rolle, wann der Tatentschluss zur Tötung erfolgte. Es scheint zu reichen, dass auch die Anklage einen direkten Zusammenhang zwischen der Tötung und dem anschliessenden Diebstahl herstellt:

Somit konnte der Beschwerdeführer seinen Standpunkt, das Opfer nicht getötet zu haben, um sich dessen Vermögenswerte anzueignen, ausführlich darlegen. Sein Recht auf eine wirksame Verteidigung wurde gewahrt (E. 1.5.1).

Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn sich die Verteidigung strikt an den Sachverhalt hält, den die Anklage behauptet, macht sie sicher nichts falsch. Das gilt erst recht, wenn sie diesen Sachverhalt widerlegt. Nach Auffassung des Bundesgericht muss sie Verteidigung aber viel weiter gehen und auch alle möglichen Sachverhaltsvarianten entkräften, die von der Anklage abgedeckt sein könnten. Wer schon einem verteidigt hat, weiss, dass das nicht möglich ist.