Treuwidrige Strafjustiz

Im Strafbefehlsverfahren werden Effizienz und Fiskalinteressen bekanntlich über alles andere gestellt. die Rolle des Richters marginalisiert. Manchen Richtern ist ihre Rolle aber scheinbar noch nicht marginal genug. Sie versuchen, aus dem Verhalten von Einsprechern auf den Rückzug der Einsprache zu schliessen, um sie nicht materiell behandeln zu müssen.

Ein neuerliches Beispiel ist ein heute vom Bundesgericht publiziertes Urteil (BGer 6B_372/2013 vvom 23.08.2013). Dem Urteil liegt zugrunde, dass die Strafbehörde den Beschuldigten trotz Einsprache zur Zahlung von Busse und Kosten aufforderte und ihm mit Betreibung und Ersatzfreiheitsstrafe im Unterlassungsfalle drohte. Dies kommt leider immer wieder vor, weil die Einsprachen nicht korrekt registriert werden. Im vorliegenden Fall bezahlte der damals noch nicht vertretene Beschuldigte, worauf das Verfahren zufolge Rückzugs der Einsprache abgeschrieben wurde. Das Bundesgericht erinnert an seine Rechtsprechung (vgl. auch meinen früheren Beiträge), die einer solchen Praxis entschieden entgegen tritt:

Die Bezahlung von Busse und Kosten während des hängigen Einspracheverfahrens erfolgte keineswegs freiwillig. Der Beschwerdeführer sah sich vielmehr dazu gezwungen, nachdem ihm für den Fall der Nichtbezahlung die Einleitung der Betreibung bzw. der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe angedroht worden war. Die Annahme der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe mit der Bezahlung von Busse und Kosten stillschweigend auf die Behandlung seiner Einsprache verzichtet, stellt unter diesen Umständen einen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar (E. 2.3).

Es wird bestimmt weitere Fälle geben. Es kann ja sein, dass ein Beschuldigter nicht gleich nach Lausanne rennt, womit das Ziel ja dann erreicht wäre.