Treuwidriger Staatsanwalt

Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat ein Ausstandsbegehren gegen einen Untersuchungsrichter abgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung formulierte der Staatsanwalt (in unzutreffender Weise) wie folgt:

“Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.”

Gegen das abgewiesene Ausstandsgesuch erhob der Beschuldigte dementsprechend Beschwerde ans Bundesgericht (BGer 1B_25/2008 vom 02.07.2008). In der Vernehmlassung hält der Staatsanwalt dem Beschwerdeführer vor, es habe ja ein ordentliches Rechtsmittel bestanden, das der Beschwerdeführer aber nicht ergriffen habe

1B_25/2008 (02.07.2008)

Der Staatsanwalt legt in der Vernehmlassung dar, gegen den angefochtenen Entscheid wäre mit der Rechtsverweigerungsbeschwerde nach Art. 254 ff. StPO/SG an die Anklagekammer des Kantons St. Gallen ein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung gestanden. Der Beschwerdeführer habe davon keinen Gebrauch gemacht. Im Verfahren der Rechtsverweigerungsbeschwerde prüfe die Anklagekammer die Auslegung und Anwendung der massgebenden Rechtsnormen frei. Die Beschwerde richte sich somit nicht gegen einen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 80 Abs. 1 BGG.
Dazu das Bundesgericht teilt die Meinung des Staatsanwalts, hält ihm aber entgegen, dass er sein Wissen nicht in die Rechtsmittelbelehrung einfliessen liess:
Weiss – wie sich aus der Vernehmlassung ergibt – der Staatsanwalt genau, welches Rechtsmittel gegen seinen Entscheid gegeben ist, soll er das dem Betroffenen in der Rechtsmittelbelehrungen sagen. Es widerspricht Treu und Glauben, dem Beschwerdeführer mit einer rudimentären Rechtsmittelbelehrung wie hier die wesentliche Information – welches Rechtsmittel im Einzelnen gegeben ist – vorzuenthalten, um ihm nachher vorzuwerfen, er habe ein ihm zur Verfügung stehendes Rechtsmittel nicht ergriffen (E. 1.2.4).
Zur Frage, ob der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gleich klug sein muss wie der Staatsanwalt:
1B_25/2008 (02.07.2008)

Es stellt sich die Frage, ob der Anwalt des Beschwerdeführers das zutreffende Rechtsmittel durch einen einfachen Blick in das Gesetz hätte erkennen können. Wie dargelegt, ist nach dem Wortlaut von Art. 254 Abs. 1 lit. c StPO/SG die Rechtsverweigerungsbeschwerde zulässig, wenn der Staatsanwalt bei Ausübung der Befugnisse willkürlich handelt. Der Beschwerdeführer macht aber keine Willkür (Art. 9 BV) geltend, sondern eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV. Dass die Anklagekammer insoweit die Beschwerde prüft, konnte sein Anwalt nicht dem Gesetz entnehmen. Vielmehr hätte er, um dies zu erkennen, die Literatur (Oberholzer, a.a.O., S. 715 N. 1736) konsultieren müssen. Dazu war er nach der dargelegten Rechtsprechung nicht gehalten (E. 1.2.4).
Das Bundesgericht überweist ohne Kosten und Entschädigung an die zuständige Anklagekammer:
1B_25/2008 (02.07.2008)

Das Bundesgericht verzichtet nach ständiger Praxis auf das Erfordernis der Erschöpfung des Instanzenzuges, wenn an der Zulässigkeit eines kantonalen Rechtsmittels ernsthafte Zweifel bestehen (BGE 1C_451/2007 vom 17. März 2008 E. 1.3, mit Hinweisen). Solche Zweifel bestehen nach dem Gesagten hier nicht (E. 1.2.3).