Über natürliche Handlungseinheiten

In einem Sexualstrafverfahren heisst das Bundesgericht eine Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gut (BGer 6B_453/2007 vom 19.02.2008). Ohne auf die Details des Sachverhalts einzugehen, geht es grundsätzlich darum, einen sexuellen Übergriff (bzw. eben zwei sexuelle Übergriffe) in einer Arztpraxis zu beurteilen:

Das Obergericht hat die Übergriffe des Beschwerdegegners zwar in zwei Phasen aufgeteilt, diese aber rechtlich als natürliche Handlungseinheit gewürdigt (E. 3.4).

Das Bundesgericht widerspricht:

Die natürliche Handlungseinheit kann jedoch nur mit Zurückhaltung angenommen werden, will man nicht das fortgesetzte Delikt oder die verjährungsrechtliche Einheit unter anderer Bezeichnung wieder einführen (E. 3.4.1).

Es verwirft die natürliche Handlungseinheit mit folgenden Gründen:

Nach dem Übergriff in der Bauchlage hat der Beschwerdegegner die Geschädigte aufgefordert, sich auf den Rücken zu legen. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits den Tatbestand der Schändung erfüllt. Die weiteren Übergriffe in der Rückenlage erfolgten nicht im Sinne einer iterativen Tatbestandsverwirklichung oder einer sukzessiven Tatbegehung. Deshalb ist das Tatgeschehen nicht als natürliche Handlungseinheit zu qualifizieren, womit die Übergriffe in Rückenlage separat zu würdigen sind. In dieser Phase war die Sicht der Geschädigten auf die Handlungen des Beschwerdegegners nicht eingeschränkt. Diese Übergriffe hat sie nur wegen ihres Irrtums über die medizinische Indikation geduldet. Dies allein reicht für die Annahme einer Widerstandsunfähigkeit nicht aus, womit der Beschwerdegegner den Tatbestand der Schändung nicht erfüllt hat. Entsprechend dem angefochtenen Entscheid hat er sich jedoch in dieser Phase der sexuellen Belästigung (Art. 198 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht (E. 3.4.3).

Der Beschuldigte war wegen sexueller Belästigung (Art. 198 Abs. 2 StGB) zu einer Busse von CHF 9,000.00 verurteilt worden. Dabei wird es bei der Neubeurteilung nun nicht bleiben können. Er wird wegen Schändung (erste Phase, Art. 191 StGB) und sexueller Belästigung (zweite Phase) zu verurteilen sein. Auf Schändung steht eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren oder Geldstrafe. Enden wird der Fall wohl mit einer bedingten Geldstrafe und einer Busse.