Übermensch Richter

Einem Mann wird vorgeworfen, seine Frau ermordet zu haben. Für die drei Kinder im Alter von 6, 11 und 17 Jahren mussten in der Folge Pflegeplätze gesucht werden. In diesem Rahmen hat eine Sozialpädagogin die Kinder befragt. Diese Sozialpädagogin ist nun aber auch Sachrichterin im Mordverfahren gegen den Beschuldigten und wurde von diesem erfolglos abgelehnt. Das Bundesgericht sieht in dieser “Vorbefassung” kein Problem:

Auch wenn sich Helen Leimbacher mit den Opfern der Straftat befasst hat, ging es mithin bei den Anhörungen nicht um die Straftat selbst. Die vorliegende Situation unterscheidet sich in dieser Hinsicht vom Sachverhalt in BGE 115 Ia 172, wo der Ersatzrichter einer Kassationsinstanz als Journalist einen Zeitungsartikel über die erstinstanzliche Verhandlung geschrieben hatte. Helen Leimbacher hatte auch nicht die Funktion einer Betreuerin oder Beraterin oder war sonstwie dazu berufen, die Interessen der Opfer zu vertreten (vgl. in dieser Hinsicht die in BGE 138 I 406zusammengefasste Rechtsprechung zur Befangenheit nebenamtlicher Richter, welche als Anwalt in einem anderen Verfahren eine der beiden Parteien oder deren dortige Gegenpartei vertreten). Die Kontakte waren zudem zeitlich beschränkt.

Der blosse Umstand, dass ein Richter indirekt mit dem zu beurteilenden Sachverhalt in Kontakt gekommen ist, reicht für sich allein nicht aus, um einen Anschein der Befangenheit zu wecken (vgl.BGE 115 Ia 34 E. 2c/bb S. 39). Weitere Umstände, welche einen Ausstandsgrund schaffen könnten, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht. So wird von keiner Seite behauptet, dass sich Helen Leimbacher je in einer Form zur Strafsache geäussert hätte, welche deren Ausgang nicht mehr als offen erscheinen liesse (vgl. BGE 134 I 238 E. 2.4 S. 242 ff. mit Hinweisen). Schliesslich ist auch das vom Beschwerdeführer angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Sache Hanif und Kahn gegen das Vereinigte Königreich nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Damals hielt der EGMR einen als Jurymitglied amtierenden Polizisten für befangen, weil dieser im betreffenden Fall über die Glaubhaftigkeit der Aussage eines Berufskollegen hatte entscheiden müssen (Urteil Hanif und Kahn gegen das Vereinigte Königreich vom 20. Dezember 2011, Beschwerde-Nrn. 52999/08 und 61779/08, §§ 138 ff., insbesondere § 148). Eine derartige Konstellation liegt hier nicht vor.
Meines Erachten gefährden solche Entscheide, die juristisch sogar richtig sein mögen, ohne Not die Akzeptanz von Strafurteilen. Mir persönlich ist schon suspekt, wenn sich ein Richter im gegen ihn geführten Ablehnungsverfahren äussert.