Überdehnte Wiederholungsgefahr

Das Bundesgericht weist das Kantonsgericht LU an, einen Beschuldigten innert fünf Tagen seit Zustellung des Urteils aus der Sicherheitshaft, die im Berufungsverfahren angeordnet wurde, zu entlassen (BGer 1B_556/2019 vom 12.12.2019).

Es wirft der Vorinstanz vor, sie habe den Haftgrund der Rückfall- und Wiederholungsgefahr überdehnt:

Immerhin ist aber augenfällig, dass der Beschwerdeführer, obwohl er zumindest seit rund 10 Jahren immer wieder in der beschriebenen Weise auffällig geworden ist, soweit ersichtlich, nie jemanden ernsthaft verletzt hat, was wohl kaum ein Zufall sein kann. Insofern ist die vom Kantonsgericht angenommene Rückfallgefahr in Bezug auf “Gewaltdelikte” deutlich zu relativieren. Eine gewisse Steigerung der Gewaltbereitschaft mag zwar im hier hauptsächlich zu beurteilenden Vorfall – dem Messerangriff auf die Polizeibeamten – liegen, doch ist auch in diesem Zusammenhang festzustellen, dass für die gut ausgerüsteten und auf die Konfrontation vorbereiteten Polizisten objektiv kein grosses Risiko bestand und es dem Beschwerdeführer auch gar nicht darum ging, sie zu verletzen, sondern er es vielmehr darauf anlegte, von den Beamten erschossen zu werden.   Insgesamt ist somit nicht ernsthaft zu befürchten, dass der Beschwerdeführer in Freiheit durch “schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich” im Sinn von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO gefährdet, nachdem er dies objektiv auch bisher nicht tat. Das Kantonsgericht hat den restriktiv anzuwendenden Haftgrund der Rückfall- bzw. Wiederholungsgefahr überdehnt, indem es die Fortführung der Sicherheitshaft bejahte (E. 2.5). 

Solche Entscheide machen zwar Mut, Haftentscheide dem Bundesgericht vorzulegen, auch wenn dessen Rechtsprechung schwer vorhersehbar ist.