Überlastetes Obergericht TG?
Das Obergericht TG hat ein Berufungsverfahren, das der Berufungskläger im vorzeitigen Massnahmenvollzug abwartet, massiv verzögert. Es hat die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zwar angekündigt, den entsprechenden Auftrag dann aber nicht erteilt.
Nach über einem Jahr gelangte der Berufungskläger an das Bundesgericht, das seine Rechtsverzögerungsbeschwerde gutheisst (BGer 1B_175/2018 vom 09.05.2018):
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Bundesgericht vorliegenden Akten, dass das Obergericht seit der Berufungsverhandlung vom 23. Januar 2017 nahezu inaktiv geblieben ist. Die Ausnahme bildet die Durchführung eines Schriftenwechsels im Gefolge eines Berichts des Massnahmenzentrums X. vom 13. Oktober 2017, womit das Berufungsverfahren jedoch nicht vorangetrieben wurde. Das Obergericht macht nicht geltend, dass es seit seiner Ankündigung vom 2. Februar 2017 Schritte zur Einholung des erwähnten Gutachtens unternommen hätte. Dies ist umso schwerwiegender, als sich der Beschwerdeführer im massgeblichen Zeitraum im vorzeitigen Massnahmenvollzug befand. Daran ändern die krankheitsbedingte Abwesenheit des Obergerichtspräsidenten und der Hinweis auf ein gleichzeitig hängiges, sehr umfangreiches Strafverfahren nichts (vgl. Urteile 1C_534/2017 vom 6. Dezember 2017 E. 2.4; 1B_55/2017 vom 24. Mai 2017 E. 4). Das Obergericht hätte der Erteilung des Gutachtensauftrags auch deshalb eine hohe Priorität einräumen müssen, weil die Erstellung des Gutachtens einige Zeit in Anspruch nimmt, die Auftragserteilung selbst aber in der Regel keinen grossen Aufwand bedeutet (E. 2.4).
Und nun? Das Gutachten ist damit noch immer nicht in Auftrag gegeben und der Beschwerdeführer wartet weiterhin. Das Bundesgericht ermahnt das Obergericht zum Tätigwerden und spendet Trost:
Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist im Dispositiv festzuhalten (vgl. BGE 137 IV 118 E. 2.2 S. 121 f. mit Hinweisen). Ob damit dem Beschwerdeführer eine hinreichende Wiedergutmachung (Art. 41 EMRK) verschafft worden ist, wird unter einer Gesamtwürdigung des Verfahrens durch das Sachgericht zu beurteilen sein (vgl. Urteil 1B_103/2017 vom 27. April 2017 E. 3.4 mit Hinweisen). Das Obergericht ist gehalten, jede weitere Verfahrensverzögerung zu vermeiden und das in Aussicht gestellte Gutachten unverzüglich in Auftrag zu geben (E. 2.5)..
Ein schönes Beispiel eines Urteils für die Galerie und allenfalls noch für die geneigten Medien; aber wohl kaum für den Betroffenen. Denn was passiert, wenn das Obergericht TG z.B. ein weiteres Jahr lang untätig bleibt ? Die Frage stellen, heisst, Sie zu beantworten: Es passiert GAR NICHTS. Nach meiner bescheidenen Erfahrung machen Urteile betr. Rechtsverzögerung nur einigermassen Sinn, wenn bei Gutheissung konkrete Fristen angesetzt und – falls möglich – Sanktionen angedroht werden. Ok, es ist mir auch klar, dass das Bundesgericht dem OG TG keine Sanktionen androhen kann. Fazit: Rechtsverzögerungsbeschwerden ans Bundesgericht machen materiell wenig Sinn, ausser dass sie bei Gutheissung eine gewisse Genugtuung bei den Betroffenen auslösen mögen. Einigermassen sinnvoll erscheinen Sie eigentlich nur auf kantonaler Ebene, wo das Obergericht bei Gutheissung allerlei formellen und auch informellen Druck auf das betroffene Bezirksgericht zur speditivem Erkedigung ausüben kann.