Überlastung der Justiz
Die Staatsanwaltschaft überweist einen ungültigen Strafbefehl gegen eine nicht anwaltlich vertretene Beschuldigte wegen Fälschung von Ausweisen (Art. 252 Abs. 3 StGB) an das zuständige Gericht. Dieses erkennt nach dem Aktenstudium, dass der angeblich gefälschte Ausweis nach dem Beweisergebnis gar nicht ausgestellt wurde, was die zuständige Staatsanwältin nicht daran gehindert hatte, für den Strafbefehl folgenden Sachverhalt zu erfinden:
Nach Erhalt des Maskendispensations-Attests [das Dossier enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass jemals ein Attest ausgestellt wurde] gebrauchte die Beschuldigte das entsprechende [nicht existierende] Zeugnis, um in der Öffentlichkeit nicht die aufgrund der herrschenden Corona-Pandemie durch den Bundesrat angeordneten obligatorischen Gesichtsmasken tragen zu müssen, womit sie ein Zeugnis zur Täuschung gebrauchte (Klammerbemerkungen durch mich).
Das war dann auch der Verfahrensleitung zu viel, die dann aber einem Reflex erlag, dem viele Richter erliegen: sie änderte kurzerhand den Sachverhalt und griff zur (versuchten) Anstiftung. Die entsprechende Verfügung an die inzwischen vertretene Beschuldigte lautet wie folgt:
Den Parteien wird mitgeteilt, dass das Gericht den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung zur Fälschung von Bescheinigungen, Art. 252 Abs. 2 i. V. m. Art. 24 Abs. 1 StGB bzw. betreffend dem Versuch dazu, Art. 252 Abs. 2 i. V. m. Art. 24 Abs. 2 und Art. 22 Abs.1 StGB prüft.
Wer sieht’s? Und wann wird die Ausstellung eines Strafbefehls zur strafbaren Handlung?
Die versuchte Anstiftung ist nur zu Verbrechen strafbar (Art. 24 Abs. 2 StGB), Art. 252 StGB ist ein Vergehen (Art 10 Abs. 2 StGB). Volle Punktzahl?
Vielleicht habe ich einen Knopf in der Leitung -> Änderung des Sachverhalts?
@Richard Kälin: Er ist geändert, weil es den Ausweis nicht mehr gibt und er deshalb auch nicht gefälscht oder gebraucht werden konnte. Auch die Tathandlung ist eine völlig andere. Anderes Tatobjekt, andere Tathandlung. Anderer Sachverhalt.
Mir scheint es, als das die betreffende Verfahrensleitung schlicht und einfach nicht ausgelastet ist und dies zur grossen Freude der involvierten Strafverfolger…
Spannend an der ganzen Sache ist, dass sich die Strafverfolger immer noch mit dem „Feldversuch“ der „Maskenpflicht“ abarbeiten…
Versuchte Anstiftung zu Art. 252 StGB ist witzig … (Art 10 Abs. 2, 3 StGB).
Witzig ? Für den betroffenen weniger der ja, wenn er nichz kompetenz verterten is solche unzulässigen Verfaheren noch verlieren könnte, und auf einem Teil seiner Kosten sowieso sitzen bleiben wird, den ein kompetenter Anwalt gibts ja halt selten zum Gerichtstarif, mindestens wird der Aufwand teilweise als Unverhältnimässig bezeichnet. Ich finde es eher erbärmlich für einen Staat wie die Schweiz, gerade zu eine Schande.
Und wenn sie Art. 24 Abs. 2 StGB nicht genau gelesen haben, dann prüfen sie noch heute…
Habe Chat-GPT folgendes gefragt und auch Absätze – wie es sich für einen Laien gehört – als Punkte bezeichnet:
„Was ist der Unterschied zwischen StGB Art. 24 abs 1 und abs 2, also Punkt 1 und Pubkt 2“ und die Antwort war:
Der Unterschied zwischen Punkt 1 und Punkt 2 besteht in der Art der Strafbarkeit.
Im ersten Punkt (Punkt 1) wird die Bestimmung einer Person zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens bestraft, wenn die Tat tatsächlich begangen wurde. Das heißt, der Täter hat jemanden dazu gebracht, ein Verbrechen oder ein Vergehen zu begehen, und diese Tat wurde später ausgeführt. In diesem Fall wird die Person, die die Bestimmung vorgenommen hat, entsprechend der Strafandrohung, die für das Verbrechen oder Vergehen gilt, bestraft.
Im zweiten Punkt (Punkt 2) wird die Bestimmung zur Begehung eines Verbrechens bestraft, selbst wenn die Tat nicht tatsächlich begangen wurde. Das heißt, der Täter hat versucht, jemanden dazu zu bringen, ein Verbrechen zu begehen, auch wenn die Tat nicht erfolgreich war. In diesem Fall wird die Person, die den Versuch der Bestimmung unternommen hat, wegen des Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
Das „unparteiische Gericht“
Das mit parteiischen Richtern besetzt ist (ansonsten wird man ja nicht richter ohne Parteibuch) das die Anklage vertritt, das nenne wir Rechtstaat, shame on you. Man wir die Helfers Helfer dank dereinst bestrafen, für ihre verbrechen am Volk & Minderheiten
Der Versuch der Anstiftung ist gemäss Art. 24 Abs. 2 StGB nur strafbar, wenn versucht wurde, zu einem Verbrechen anzustiften. Fälschung von Bescheinigungen ist ein Vergehen, kein Verbrechen. Die versuchte Anstiftung dazu ist dementsprechend gar nicht strafbar, nur die vollendete Anstiftung wäre strafbar. Vollendete Anstiftung fällt vorliegend aber offensichtlich ausser Betracht, wenn tatsächlich gar nie ein Attest ausgestellt wurde.
Ich wäre mir in diesem Fall aber trotzdem nicht all zu sicher, zu obsiegen. Soweit ich das sehe, käme nämlich vorliegend auch versuchte Anstiftung zur Urkundenfälschung in Betracht (Art. 251 Abs. 2 i. V. m. Art. 24 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 1 StGB). In der Öffentlichkeit trotz des allgemeinen Obligatoriums keine Gesichtsmaske tragen zu müssen, könnte man meines Erachtens nämlich durchaus als unrechtmässigen Vorteil i.S.v. Art. 251 Abs. 1 StGB betrachten. Dies wäre meines Erachtens sogar passender, als von einem erleichterten Fortkommen i.S.v. Art. 252 Abs. 1 StGB auszugehen.
Insofern dürfte der Strafbefehl in diesem Fall (zumindest im Ergebnis) weniger falsch gewesen sein, als Sie das zu glauben scheinen. Fraglich bleibt natürlich, ob vorliegend das Anklageprinzip verletzt wird oder nicht.
@Anonymou: Sie kennen halt das Dossier nicht.
Das „Keine-Masken-Tragen-zu-müssen“ ist doch kein unrechtmässiger Vorteil. Vielmehr ist es ein Vorteil, wenn man die Maske trägt, da man dann geschützt ist (so jedenfalls die offizielle Meinung). Was hier ausser Acht gelassen wird, ist Art. 318 StGB, der wohl besser passen würde als 251 und 252. Art. 318 Abs. 1 ist allerdings auch nur ein Vergehen, so dass die versuchte Anstiftung ebenfalls scheitert.
DR bitte Booster auffrischen die positiven Folgen machen sich Bemerkbar.
Ein Müsterchen aus der bernischen Strafjustiz?
SO (Übernahme aus AG)
Aktenzeichen des Verfahrens beim „zuständigen Gericht“?
@Ursus: Gerne per Mail nachdem der heutige Freispruch in RK erwachsen ist.
Kandidat für den Fehlbefehl des Jahres.