Übermässige Haftverlängerung
Dass die Hauptverhandlung erst nach Ablauf der ordentlichen gesetzlichen Höchstdauer der Sicherheitshaft angesetzt ist, rechtfertigt es nicht, die Haft für drei Monate und acht Tage zu verlängern (BGer 1B_386/2022 vom 12.08.2022).
In Übereinstimmung mit der erwähnten Rechtsprechung hätte die bis zum 1. Mai 2022 angeordnete Sicherheitshaft längstens bis zum 1. August 2022 verlängert werden dürfen, sofern kein Ausnahmefall gegeben ist. Vorliegend ordnete das Zwangsmassnahmengericht eine Verlängerung um drei Monate und acht Tage, d.h. bis zum 9. August 2022, an. Als Begründung für die Überschreitung der gesetzlichen Dreimonatsfrist führte es einzig die (erst) auf den 9. August 2022 angesetzte Hauptverhandlung an. Dieser Umstand allein rechtfertigt indes, wie der Beschwerdeführer mit Recht vorbringt, die Überschreitung der ordentlichen Höchstdauer der Sicherheitshaft von drei Monaten nicht (vgl. BGE 146 IV 279 E. 2.4). Dies gilt umso mehr, als die kantonalen Behörden auch nicht aufgezeigt haben, dass es ihnen aus besonderen, näher darzulegenden Gründen nicht möglich gewesen wäre, die Hauptverhandlung innerhalb der gesetzlichen Dreimonatsfrist anzusetzen. Auch aus den Akten gehen keine solchen Gründe hervor (E. 6.3).
Vielleicht konnte ja eine der Parteien oder ihre Rechtsvertretung nicht an einer früher angesetzten Verhandlung teilnehmen… Das ergäbe sich kaum aus den Akten (da bei den Gerichten jeweils die Sekretariate die Verhandlungstermine organisieren, was äusserst aufwendig sein kann) – gerade manche vielbeschäftigte Verteidiger sind bisweilen diesbezüglich nicht immer abkömmlich, was eine Verhandlungsansetzung innert 3 Monaten oftmals als illusorisch erscheinen lässt. Einmal mehr dünkt mich die Argumentation des Bundesgerichts nicht sehr praxisnah. Oder hätte wirklich irgendein ZMG ein entsprechendes Haftverlängerungsgesuch abgewiesen, in Anbetracht der unmittelbar bevorstehenden HV? Wohl kaum, und damit wäre dann wohl auch das Bundesgericht zufrieden gewesen.
@Anonymous: Verhandlung innert drei Monaten kann tatsächlich schwierig sein, v.a. seit alle Behörden und Gerichte ihren Corona-Stau abzuarbeiten versuchen und mit ihren Terminabsprachen manchmal mehrere Wochen in der Agenda blockieren, bis der definitive Termin feststeht. Ich bin jedenfalls froh, wenn das Bundesgericht das was im Gesetz steht auch so anwendet wie es im Gesetz steht. Hätte übrigens der Verteidiger einen früheren HV-Termin verunmöglicht, wäre das bestimmt in das Verfahren eingeflossen und das BGer hätte die Rüge wohl zurückgewiesen.
Fazit für die Zukunft (und da es den Verteidigern offenbar lieber ist): dann soll das ZMG einfach die Sicherheitshaft noch einmal grosszügig um 3 Mt. verlängern und die HV wird dann wohl erst kurz vor Ablauf dieser Dauer stattfinden. Der Beschuldigte bleibt einfach länger in Haft. Am Schluss macht das Sachgericht dann in seinem Urteil schon seine “Rechnung”, so dass kein Überhaft vorliegt…
@Anonymous: Rechnung? iudex non calculat! Mir ist es lieber, wenn die Gerichte das Gesetz so anwenden wie es ist und nicht so wie sie es machen würden. Wir sind hier im Strafrecht, nicht im ZGB.
Man könnte ja jetzt meinen, er wäre seit dem 1.August 2022 auf freiem Fuss.
Am 20.Juli 2022 führte die Person Beschwerde in Strafsachen.
Es ging darum, dass die Sicherheitshaft nach Gesetz nur bis zum 1.August gelten dürfte, sie wurde aber bis 9.August angeordnet.
Das Bundesgericht entscheidet am 12.August, dass dies rechtswidrig war.
Und selbstverständlich führt dies nicht zur Haftentlassung.
Jetzt will der Bundesrat übrigens die Anzahl Bundesrichter von 38 auf 40 erhöhen. Hahaha, selten so gelacht.