Überschätzter DNA-Beweis
Die Staatsanwaltschaft BL ordnete gegen einen Beschuldigten eine DNA-Probenahme (Wangenschleimhautabstrich, WSA) sowie die Erstellung eines DNA-Profils an, obwohl am Tatort keinerlei Spuren gesichert worden waren. Sie machte geltend, das Profil diene der Aufklärung der Straftat und der Rollenverteilung der Beteiligten (zum Sachverhalt und zum Tatvorwurf s. unten).
Das Kantonsgericht BL schützte die Auffassung der Staatsanwaltschaft. Das Bundesgericht sieht das ganz anders (BGer 1B_210/2022 vom 13.12.2022):
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist nicht ersichtlich, wie die angeordneten Zwangsmassnahmen der Aufklärung der Anlasstat dienen sollen und Aufschluss über die Rollenverteilung geben könnten; dies insbesondere angesichts der unterlassenen Spurensicherung. Demnach wäre die Anordnung von erkennungsdienstlichen Massnahmen, Probenahme und Erstellung des DNA-Profils nur verhältnismässig, wenn davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer in andere Delikte einer gewissen Schwere verwickelt sein könnte. Auch dafür sind aber keine Anhaltspunkte ersichtlich. Den Vorakten zufolge wurde der Beschwerdeführer am 19. November 2015 vom Strafgericht Basel-Landschaft wegen im Jahre 2012 begangener Verbrechen und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Überlassens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges verurteilt. Zudem wurde er im Jahr 2016 des Führens eines Motorfahrzeugs mit abgelaufenem Führerausweis auf Probe schuldig gesprochen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind auch keinerlei Hinweise auf Suchtmittelabhängigkeit und daraus folgender Beschaffungskriminalität aus den Vorakten ersichtlich. Schliesslich lässt auch die zu untersuchende Anlasstat nicht auf ernsthafte Gefahren für wesentliche Rechtsgüter durch den Beschwerdeführer schliessen, selbst wenn zurzeit nicht von einem lediglich geringfügigen Schaden im Sinne von Art. 172ter StGB ausgegangen werden kann (vgl. E. 3.4 hiervor). Unter diesen Umständen erweisen sich die angeordneten Zwangsmassnahmen als nicht verhältnismässig (E. 4.4).
Bemerkenswert ist hier übrigens auch der Sachverhalt, den das Bundesgericht wie folgt festhält:
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt ein Strafverfahren gegen A. wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs. Ihm wird vorgeworfen, er habe sich am 30. März 2021 mit zwei anderen Personen zum Firmengelände eines Unternehmens in Pratteln begeben, um Treibstoff zu stehlen. Während seine Komplizen die Tankdeckel der auf dem Firmengelände parkierten Lastwagen aufgebrochen und mittels Handpumpe Treibstoff aus deren Tanks in Benzinkanister abgefüllt hätten, habe A. Wache gehalten.
Beachtlich ist an diesem Entscheid, dass nicht nur die DNA-Abnahme und Auswertung für unzulässig erklärt wurde, sondern die gesamte erkennungsdienstliche Erfassung!
So sollte es eigentlich sein. Der Witz daran ist, das hier relativ hohe Anforderungen gestellt werden an Verhältnissmässig kleine Eingriffe in die persönliche Freiheit (von körperlicher Integrität muss man da ja nicht mal sprechen) während für Hausdurchsuchungen oder Durchsuchung von Privaten Aufzeichnungen wie zB das Handy relativ geringe Anforderungen gelten, ja schon fast jeder obskure an den Haaren herbeigezogene Anfangsverdacht ausreicht um die Zwangsmassnahme zu rechtfertigen.
Am Schluss läuft natürlich beides auf Fishing Expeditions raus, aber persönlich bin ich viel betroffener wenn meine ganze private Korrespondenz gelesen wird als wenn ein Wattestäbchen in meine Backe muss, ein Foto gemacht werden und meine Finger kurz dreckig. Trotzdem gelten bei den viel höheren Eingriffen die niederigem Anforderungen, verstehe es wers will.