Ultrakurzer Prozess?
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift plädoyer stellt Bundesrichter Oberholzer seine Ideen zu einem ultrakurzen Prozess vor, der ausserhalb bzw. vor Eröffnung eines Strafverfahrens die Bagatellkriminalität konsensual abhandeln soll. Kommt ein Konsens nicht zustande, kann der Beschuldigte den ordentlichen Strafprozess wählen. Die Ideen werfen zahlreiche Bedenken auf, aber wer die schier unerträglichen Unzulänglichkeiten des heutigen Strafbefehlsverfahrens kennt, wird nicht darum herum kommen, darüber ernsthaft nachzudenken. Auf die Schnelle sehe ich primär einen Punkt, den auch der ultrakurze Prozess nicht lösen wird: Den ordentlichen Prozess können sich die meisten – auch diejenigen, die von ihrer Unschuld und ihrem Freispruch überzeugt sind – gar nicht leisten. Es wird wie bereits beim heutigen Strafbefehl darum gehen, ob man sich einen ordentlichen Prozess überhaupt leisten kann (oder will).
Es würde rechtsstaatlich meines Erachtens schon recht viel bringen, wenn der Strafbefehl nur rechtskräftig wird, wenn der Beschuldigte ausdrücklich zustimmt – statt dass er Einsprache erheben muss, wenn er damit nicht einverstanden ist. Viele werden es einfach versäumen, eine Einsprache zu erheben, obwohl sie mit dem Strafbefehl eigentlich gar nicht einverstanden sind. Und etliche werden den Strafbefehl gar nicht verstehen – “Juristendeutsch” ist selbst für durchschnittlich gebildete Schweizer/innen nicht immer verständlich.
Deine Annahme mit dem “nicht leisten können” verstehe ich nicht ganz, Koni. Meinst du, sie können sich keinen Anwalt leisten, kriegen keine amtliche Verteidigung (weil es sich angeblich um eine Bagatelle handelt) und können sich darum nicht richtig wehren? Oder sie können/wollen es sich nicht leisten, weil sie Angst haben, doch verurteilt zu werden und am Schluss die Verfahrenskosten tragen zu müssen? Oder haben sie Angst vor der Öffentlichkeit des Verfahrens?
Je nach Fallkonstellation halt. Am wichtigsten ist, dass eine ökonomische Analyse fast immer zum Ergebnis führen muss, den Strafbefehl zu akzeptieren, egal wie unschuldig man ist.
@Fabian Malovini:
Nur wer wirklich sozusagen nichts besitzt, erhält amtliche Verteidigung.
Wer nicht wirklich reich ist, muss es sich sehr gut überlegen, ob er die paar Tausend, welche es schnell mal kostet, auslegen will.
In dieser Perspektive ist “Recht erhalten” ein äusserst teures Hobby und die ökonomische Vernunft würde eigentlich dazu führen, dass man sich zweckmässiger Weise gar nicht wehrt.
Meine eigene Erfahrung und Beobachtung lässt mich vermuten, dass einige Staatsanwälte, Steuerbehörden usw. dies bewusst einkalkulieren.
Dann soll man doch ehrlich sein und auch gar keine Rechtsmittel mehr zulassen. Oder sollten die Kosten des 1. Instanzlichen Verfahrens bereits im Strafbefehl eingeschlossen sein. Oder noch viel besser, man sollte den Strafbefehl nicht als Urteislvorschlag sehen, sondern als 1. Instanzliches Urteil auf das 1. “echte Verfahren” müssten dann bereits die Bestimmungen des Rechtsmittelverfahrens gelten, wo die Kosten nach Massgabe des Ob- bzw. Unterliegens aufgeteilt werden.
Das würde nämlich dazu führen das die Staatsanwälte Ihren Job einmal richtig machten müssen, es ist ein Trauerspiel mit den Staatsanwälten, drei mal durch die Anwaltsprüfung gefallen was werde ich dann, genau Staatsanwalt, wird der Strafbefehl dann nämlich korrigiert, was ja regelmässig der Fall ist, dann müssten die Kosten auch aufgeteilt werden, damit müssten die Staatsanwälte ihre Rechtsanwendungen im Strafbefehlsverfahren der Rechtssprechung anpassen, da Sie sonst regelmässig auf den Kosten sitzen bleiben würden.