Umgrenzungsfunktion der Anklage

Ein Privatkläger hat sich durch alle Instanzen gegen den Freispruch seines Unfallgegners beschwert, blieb aber auch vor Bundesgericht erfolglos (BGer 6B_626/2015 vom 01.10.2015). Das Bundesgericht weist den Beschwerdeführer darauf hin, dass er selbst nicht die Unschuldsvermutung beanspruchen kann (s. dazu den letzten Abschnitt meines Beitrags).

Bemerkenswert aber ist in erster Linie der Hinweis, der Beschuldigte habe jedenfalls nicht das falsch gemacht, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwarf:

Die dem Beschwerdegegner 1 zum Vorwurf gemachte Pflichtwidrigkeit liegt in der Art und Weise, wie er die Strasse befuhr. Sie liegt nicht darin, dass er die Strasse befuhr. Ihm wird nicht vorgeworfen, dass er unter den konkreten Voraussetzungen das Manöver in keinem Fall hätte durchführen dürfen und er unabhängig von der aufgewendeten Vorsicht zur Verantwortung gezogen werden soll. Ein Schuldspruch, der auf entsprechende Elemente des Fahrlässigkeitsdelikts zurückginge, trüge der Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift vom 16. Juni 2014 nicht Rechnung und verletzte das Immutabilitätsprinzip (E. 4.5.2).

Die Erwägung ist ohne jeden Zweifel richtig. Ich frage mich aber, ob das Bundesgericht auch so streng gewesen wäre, wenn der Unfallgegner verurteilt worden wäre und sich dagegen beschwert hätte.

Hier aber noch die Erwägung zur Unschuldsvermutung:

Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer, soweit er sich auf den Grundsatz “in dubio pro reo” beruft. Die Unschuldsvermutung schützt die beschuldigte Person. Das Opfer kann daraus nicht ableiten, die Beweise seien im Untersuchungsverfahren im Zweifel zu seinen Gunsten zu würdigen, da dies zu einer Umkehrung des Grundsatzes führen würde (Urteil 6P.17/2004 vom 4. August 2004 E. 2.5) [E. 3.3].