Umwandlung einer im abgekürzten Verfahren ergangenen Freiheitsstrafe?

Im Kanton Aargau haben sich der Beschuldigte und der Staatsanwalt im abgekürzten Verfahren auf eine Freiheitsstrafe von 2.5 Jahren geeinigt. Wenige Tage vor vollständiger Verbüssung der Strafe stellte die Staatsanwaltschaft dann den Antrag, die Strafe sei in einem Nachentscheid in eine stationäre Massnahme nach Art. 65 StGB umzuwandeln. Allein die Idee erscheint als im höchsten Mass treuwidrig, jedenfalls dann, wenn sich im Strafvollzug nicht Erkenntnisse offenbaren, die den Behörden zuvor unbekannt waren.

Das Obergericht des Kantons Aargau hat den Antrag der Staatsanwaltschaft dennoch zum Urteil erhoben. Dagegen beschwerte  sich der Betroffene nun erfolgreich vor Bundesgericht (BGE 6B_171/2016 vom 13.06.2016, Publikation in der AS vorgesehen). Die Frage, ob ein im abgekürzten Verfahren ergangenes Urteil überhaupt der Revision zugänglich ist, lässt das Bundesgericht ausdrücklich offen, scheint sie aber im Grundsatz zu bejahen:.

Soweit eine spätere Abänderung eines Urteils im abgekürzten Verfahren überhaupt in Frage kommen kann (unabhängig davon, ob dies über das Instrumentarium der Revision zu erfolgen hat), muss aber jedenfalls verlangt werden, dass neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die nicht, auch nicht ansatzweise, Gegenstand der Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft über eine Einigung im abgekürzten Verfahren bildeten und deshalb dem urteilenden Gericht auch nicht bekannt sein konnten (E. 2.7).

Davon konnte im vorliegenden Fall keine Rede sein, zumal die Massnahme im Vor- und im Hauptverfahren Thema war.

Zur Frage der Sperrwirkung von “ne bis in idem” in den Nachverfahren fasst das Bundesgericht seine Rechtsprechung so zusammen:

Für die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme anstelle einer reinen Strafe muss in jedem Fall verlangt werden, dass sich vor oder während des Vollzugs der Freiheitsstrafe – und damit nach der Rechtskraft des Urteils – neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, welche die Voraussetzungen einer Massnahme begründen können. Tatsachen oder Beweismittel aber, die dem urteilenden Gericht bereits zur Beurteilung vorlagen und deshalb Gegenstand der richterlichen Überlegungen waren, können aufgrund der Sperrwirkung von “ne bis in idem” nicht erneut eingebracht werden. Dies gilt losgelöst von der Frage, ob respektive unter welchen Voraussetzungen Art. 65 Abs. 1 StGB mit dem Grundsatz von “ne bis in idem” vereinbar ist (E. 2.3).

Ich empfehle aber allen Interessierten, den ganzen Entscheid zu lesen.