Umwandlung von Wahlverteidigung in amtliche Verteidigung
Erneut musste sich ein Gericht mit der unseligen Umwandlung der Wahlverteidigung in eine amtliche Verteidigung befassen und erneut beweist die Justiz, dass sie sich primär als Hüterin der Staatskasse sieht und dieser Funktion alles andere unterordnet. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, wieso Beschuldigte schikaniert werden, wenn sie bei Vorliegen einer notwendigen Verteidigung darum ersuchen, die private in eine amtliche notwendige Verteidigung umzuwandeln.
Der neuste Entscheid dazu stammt von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (BV.2014.27 vom 18.09.2014) und schiesst nun auch noch dem Anwalt ins Knie, obwohl sie eigentlich durchaus erkennt, dass sie letztlich bloss einen bürokratischen Leerlauf fördert:
In der Praxis kommt es jedoch durchaus vor, dass die Strafverfolgungsbehörde aus pragmatischen Gründen, namentlich wegen der Prozessökonomie, eine Umwandlung einer Wahl- in eine amtliche Verteidigung allein gestützt auf Art. 33 Abs. 1 lit. a
VStrR vollzieht. Sie antizipiert dabei jeweils eine – womöglich auch angedrohte – Mandatsniederlegung des notwendigen Wahlverteidigers, welcher seine Einsetzung als amtlicher Verteidiger anstrebt, da durch die Mandatsniederlegung die beteiligte Verwaltung verpflichtet wäre, die notwendige Verteidigung sicherzustellen. Zwar bestünde bei solch einem Verhalten eines Rechtsanwaltes, welches allenfalls als missbräuchlich eingestuft werden kann, genügend Anlass vom Anwaltswunsch des Beschuldigten – den das Mandat Niederlegenden als amtlichen Verteidiger zu bestellen – abzuweichen. Jedoch kann dies, insbesondere bei weit fortgeschrittenen Verfahren, zu erheblichen Verzögerungen des Strafverfahrens führen, da dem neuen Verteidiger regelmässig eine Einarbeitungszeit zugestanden werden müsste (E. 4.2.3, Hervorhebung durch mich).
Das Bundesstrafgericht differenziert hier zunächst nicht genügend zwischen dem Anwalt und der Partei. Dem Anwalt dann aber auch noch Rechtsmissbrauch vorzuwerfen, ist unsachlich. Glaubt denn das Gericht tatsächlich, ein privat bestellter Verteidiger müsse sein Mandat auch dann weiterführen, wenn er dafür gar nicht bezahlt werden kann?
Im vorliegenden Fall wird nun also der bisherige private Verteidiger sein Mandat niederlegen müssen. Die Beschwerdeführerin muss Formulare ausfüllen und die amtliche Verteidigung beantragen. Die Strafverfolgungsbehörde wird ihr dann einen ihr genehmen Anwalt aufs Auge drücken, denn der bisherige Verteidiger kommt ja nicht mehr in Frage. Er hat schliesslich rechtsmissbräuchlich gehandelt. BGE 139 IV 113 wird weiterhin nicht konsequent umgesetzt.
Ich sehe nun auch nach langem Nachdenken nicht, was da rechtsmissbräuchlich sein könnte. Irgendwie scheinen Richter/innen einfach anders zu ticken als Anwälte/innen.
Im Übrigen könnte ja auch der Beschuldigte seinem Anwalt das Mandat entziehen und ihn als amtlichen Verteidiger beantragen. Ich fände nicht mal das rechtsmissbräuchlich, schliesslich hat man (bei notwendiger Verteidigung) jederzeit Anspruch auf einen amtlichen Verteidiger nach Wahl.
Kurios ist ja auch, dass man als Strafverteidiger inzwischen geradezu zum Glückspiel verleitet wird. „Wettet“ man auf Freispruch, fährt man mit der privaten Verteidigung oft besser; „wettet“ man auf Schuldspruch, kann sich die amtliche Verteidigung lohnen. (je nach Kanton)