Unabhängige Staatsanwaltschaft?
Rund um die angekündigte Untersuchung (s. meinen letzten Beitrag) kommt nun die Diskussion um die Gewaltentrennung wieder in Gang: wer soll die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft ausüben?
Die aktuelle Vorlage (s. Themenseite de BJ) soll die gegenwärtige Lösung (administrative Aufsicht beim EJPD, fachliche Aufsicht beim Bundesstrafgericht) ersetzen durch eine einheitliche Aufsicht beim EJPD. Die geplante einheitliche Aufsicht wird mit dem (Schein-)Argument der Gewaltentrennung zurückgewiesen. Das Argument stösst ins Leere, weil die Staatsanwaltschaft in einem modernen Rechtsstaat der Exekutive angehört und auch angehören muss, zumal sie im Strafverfahren Partei ist. Es muss endlich erkannt werden, dass die Exekutive den Strafanspruch des Staates durchzusetzen hat, indem sie die Verdächtigen verfolgt und anklagt. Mit der Anklage und erst dann kommt die Justiz zum Zug, welche in einem dialektisch ausgestalteten Verfahren (Staatsanwaltschaft c. Verteidigung) beurteilen muss, ob der Anklagesachverhalt als bewiesen gelten kann oder nicht (s. dazu einen meiner früheren Beiträge zur Diskussion im Kanton Solothurn).
Unbestritten und verfassungsmässig garantiert ist, dass das Gericht unabhängig sein muss. Aus der Sicht der Verteidigung könnte man überspitzt sagen, dass ein Gericht, das die fachliche Aufsicht über die Gegenpartei (Staatsanwaltschaft) ausübt, nicht unabhängig sein kann. Der Begriff der Unabhängigkeit hat im Zusammenhang mit dem Verhältnis zwischen der Staatsanwaltschaft und den drei Gewalten keine bzw. eine andere Bedeutung. Entscheidend ist allein, dass die Staatsanwaltschaft – genau wie übrigens die Verteidigung – weisungsungebunden handeln kann. Damit kann garantiert werden, dass am Ende nicht der Bundesrat entscheidet, gegen wen die Bundesanwaltschaft ermitteln soll. So sind m.E. die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats zu verstehen (vgl. meinen früheren Beitrag).
Unbestritten dürfte auch sein, dass keine Behörde eines Rechtsstaats unkontrolliert sein darf. In der politischen Diskussion ist man sich jedenfalls einig, dass auch die Bundesanwaltschaft einer Aufsicht zu unterstellen ist. Wer diese Aufsicht ausüben soll, ist aber eigentlich völlig klar: es muss die administrativ vorgesetzte Behörde sein. Auf Stufe Bund ist dies nun halt das EJPD. Genau dies sieht die Vorlage (s. oben) vor und verdient damit volle Zustimmung.
Dass nun noch der Vorschlag auftaucht, die Bundesanwaltschaft unter parlamentarische Aufsicht zu stellen (s. demnächst im Beitrag von 10 vor 10), ist wohl eher politisch motiviert. Er ist sachlich genauso falsch wie das aktuelle geteilte Aufsicht, auch wenn er vom Präsidenten der Rechtskommission des Nationalrats