Unanfechtbare Verfügungen der Staatsanwaltschaft?
Im Rahmen einer Freitodbegleitung, die aufgrund einer Schluckstörung der Strebewilligen nicht wie vorgesehen ablief, verfügte die Staatsanwaltschaft die Versetzung in ein Spital zur palliativen Behandlung. Die Frau starb im Spital. Gegen die Versetzung beschwerte sich die Sterbehilfeorganisation. Weder das Obergericht noch das Bundesgericht (BGer 1B_130/2013 vom 15.01.2014) traten ein. Das Bundesgericht wirft dem beschwerdeführenden Verein vor, es liege sei seinen Begründungspflichten nicht nachgekommen (Zwischenentscheid). Die Begründung des Obergerichts ist nicht bekannt. Es scheint aber rechtsfreie Zonen oder jedenfalls Konstellationen zu geben, in denen die Staatsanwaltschaft über nicht beschuldigte Personen verfügen kann, ohne dass dagegen ein Rechtsmittel besteht.
Ob gegen die zwangsweise Verbringung der sterbewilligen Dame ins Spital ein Rechtsmittel besteht, hat das Bundesgericht entgegen Ihren Ausführungen nicht entschieden. Es führt lediglich aus, dass noch nicht einmal ein taugliches Anfechtungsobjekt – da jedenfalls in Bezug auf das gegen die Sterbehilfeorganisation bzw. deren Verantwortliche geführte Strafverfahren ein Zwischenentscheid – vorliege.
Selbst wenn ein Endentscheid und somit ein taugliches Anfechtungsobjekt vorgelegen hätte, wäre meiner Beurteilung nach nicht auf die Beschwerde einzutreten gewesen, weil weder zu Lebzeiten und schon gar nicht nach dem Tod der Frau ein rechtlich geschütztes Interesse der Sterbehilfeorganisation an der Aufhebung der Hospitalisationsverfügung vorlag…
Oder übersehe ich hier etwas?
Nein, ich bin im Grunde ja ihrer Meinung. Ich habe mich gefragt, mit welcher Kompetenz die Staatsanwaltschaft eine solche Verfügung erlassen kann. Ich habe mich auch gefragt, ob man Nichtigkeit auch dann feststellen kann, wenn eine an sich nicht legitimierte Person als Beschwerdeführerin auftritt. Und ich habe mich gefragt, ob in der vorliegenden Konstellation tatsächlich niemand legimitiert ist.
Da müsste wohl nur der/die Richtige die Beschwerde erheben. Ich sehe jedenfalls nicht, woraus die Sterbehilfeorganisation eine Legitimation ableiten könnte.
Das sehe ich genau so. Auch ich vermag das rechtlich geschützte Interesse der Sterbehilfeorganisation an der Aufhebung oder Änderung der Verfügung nicht zu erblicken. Folglich ist sie nicht zur Beschwerde legitimiert. Das Bundesgericht kommt aber vorliegend gar nicht so weit, sondern verneint bereits das Vorliegen eines tauglichen Anfechtungsobjektes. Der Beschwerdeführer führt ja offenbar mit keinem Wort aus, weshalb der vorinstanzliche Entscheid einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte.
Die gesetzliche Kompetenz der Staatsanwaltschaft liegt m.E. übrigens in Art. 251 Abs. 4 StPO. Vorausgesetzt die Einweisung ins Spital stellte tatsächlich (auch) eine Zwangsmassnahme (wohl um Beweise zu sichern i.S.v. Art. 196 lit. a StPO??) dar. Damit war die Anordnung der Staatsanwaltschaft wohl auch nicht nichtig. Wenn jemand legitimiert sein soll, gegen eine solche Anordnung Beschwerde zu erheben, dann wohl nur die betroffene Person selbst und allenfalls ihre Rechtsnachfolger.
Mir ist schon klar, dass die Vorstellung, die Staatsanwaltschaft könne nicht einfach allmächtig und allzuständig und sein, wo sie doch gegen das Böse kämpft und per definitionem immer auf der richtigen Seite steht und damit auch das richtige tut, nicht sehr modern ist ;-). Aber 251/IV wäre hier ja wohl kaum verhältnismässig (im Hinblick auf den angestrebten Zweck erforderlich, geeignet, verhältnismässig im engeren Sinn).
Ich gehe mit KJ einig, dass die Anordnung – soweit aus dem Entscheid ersichtlich – schon eher polizeilichen und nicht strafprozessualen Charakter hat. Nachdem die anwesenden Polizeifunktionäre aber selbst genau die gleiche Massnahme hätten ergreifen können, sehe ich darin kein Problem.
Bezüglich der Feststellung der Nichtigkeit der Anordnung durch nicht legitimierte Dritte nur zwei Punkte: Popularbeschwerde im Strafprozess? Feststellungsinteresse der Sterbehilfeorganisation?
@RP: Weil ich vielleicht dereinst die Dienste einer solchen Organisation in Anspruch nehmen könnte bin ich heute sogar als völlig Unbeteiligter an der höchstrichterlichen Klärung solcher Sachverhalte sehr interessiert, um dann ggf. die geeigneten Schritte vorkehren zu können dass mir weder Polizei noch Staatsanwaltschaft einen Strich durch die Rechnung machen können. Ein vergleichbares Interesse im nicht-juristischen Sinn hat zweifellos auch die Organisation.
Als juristischer Laie kann ich mich öfters des Eindrucks nicht erwehren, dass das Erfordernis des nicht wieder gut zu machenden Nachteils als geeignetes Mittel dafür dient, mit einem rein formalistischen Totschlagargument missliebige Beschwerden los zu werden.