Unbefangener Staatsanwalt?

Nach gewonnener Beschwerde vor Bundesgericht und anschliessender Rückweisung des Falles in das Vorverfahren, wollte ein Beschwerdeführer den zuständige Staatsanwalt in den Ausstand versetzen lassen. Der Staatsanwalt war im St. Galler Tagblatt wie folgt zitiert worden:

Staatsanwalt […] sagt, das Urteil liege im Ermessensspielraum der Richter, aber an den Ergebnissen des Beweisverfahrens und am Tathergang werde der Zeuge nichts ändern.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde mit eher gewundener Begründung als zum Vornherein aussichtslos ab (BGer 1B_86/2009 vom 30.06.2009). Art. 30 Abs. 1 BV gelte nur für richterliche Behörden, zu denen der Staatsanwalt nicht gehöre. Auch Art. 29 Abs. 1 BV stelle nur “gewisse Mindestanforderungen” an die Unabhängigkeit:

Der Staatsanwalt ist zwar zu einer sachlichen und objektiven Amtsführung verpflichtet. Er nimmt jedoch als Partei am Verfahren teil. Er kann und muss damit seinen Parteistandpunkt als Ankläger vertreten. Dementsprechend ist er in seinen Äusserungen gegenüber der Presse freier als ein Richter oder ein Untersuchungsrichter (jedenfalls vor Abschluss der Untersuchung), die zu strikter Unparteilichkeit verpflichtet sind (Urteil 1P.528/2002 vom 3. Februar 2003 E. 4.2) (E. 2.2).

Seinen Parteistandpunkt als Ankläger muss er selbstverständlich vertreten. Aber muss er dies wirklich gegenüber den Medien tun?

Vollkommen unverständlich erscheint mir dann aber der folgende Kunstgriff des Bundesgerichts, nach dem der Staatsanwalt den Beschwerdeführer gar nicht belastet hat:

Als öffentlicher Ankläger durfte und musste sich Staatsanwalt Bötschi Gedanken darüber machen, wie die Beweise aus seiner Sicht zu würdigen seien. Nach dem Zeitungsartikel sagte er, an den Ergebnissen des Beweisverfahrens und am Tathergang werde der Zeuge – der einen Tag nach der Tat polizeilich befragt worden war – nichts ändern. Darin liegt eine antizipierte Beweiswürdigung. Diese stellt keinen Ausstandsgrund dar. Wie dargelegt, ist nach der Rechtsprechung nicht auf Befangenheit zu schliessen, wenn der Staatsanwalt einen vom Angeklagten abweichenden Standpunkt einnimmt und die Beweise anders würdigt als dieser. Nach dem Zeitungsartikel äusserte Staatsanwalt Bötschi im Übrigen seine persönliche Erwartung vor der Zeugeneinvernahme. Dass er auch dann nicht gewillt wäre, auf seine Position zurückzukommen, falls sich aufgrund der Zeugeneinvernahme neue, unvorhergesehene Gesichtspunkte ergäben, sagte Staatsanwalt Bötschi nicht.

Wesentlich ist sodann Folgendes: Wie sich aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 14. Juli 2008 ergibt (S. 5 f. E. 2.6), belastete der Augenzeuge bei der polizeilichen Befragung den Beschwerdeführer stärker, als das Obergericht in der Folge annahm. Staatsanwalt Bötschi legte in der Vernehmlassung des damaligen bundesgerichtlichen Verfahrens denn auch dar, der Augenzeuge belaste den Beschwerdeführer schwer. Ging somit Staatsanwalt Bötschi (nachvollziehbar) davon aus, beim Augenzeugen handle es sich um einen Belastungszeugen, wirkte es sich zugunsten des Beschwerdeführers aus, wenn Staatsanwalt Bötschi gesagt haben sollte, die Einvernahme des Augenzeugen werde am Beweisergebnis nichts ändern. Damit hätte Staatsanwalt Bötschi zum Ausdruck gebracht, dass es nach seiner Auffassung bei der für den Beschwerdeführer günstigeren obergerichtlichen Sachverhaltsannahme bleiben und der Beschwerdeführer nicht schwerer belastet werde. Ging demnach die im Zeitungsartikel wiedergegebene Aussage von Staatsanwalt Bötschi gar nicht zulasten des Beschwerdeführers, hatte die Vorinstanz erst recht keinen Anlass, dessen Ausstandsbegehren stattzugeben. Die Vorinstanz legt das (angefochtener Entscheid S. 3 E. 2.c) zutreffend dar (E. 2.4).