Unentgeltliche Rechtspflege für den Beschuldigten
Das Obergericht ZH hat die Beschwerde einem Beschuldigten, der eine Beschlagnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft angefochten und um unentgeltliche Rechtspflege ersucht hatte, abgewiesen. Im Beschwerdeverfahren wurden zwar Verfahrensmängel festgestellt, welche die Staatsanwaltschaft aber “heilen” konnte.
Trotzdem wird das Obergericht die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit ab. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid (BGer 1B_57/2019 vom 06.11.2019). Es wirft der Vorinstanz vor, sie sei von einem “bundesrechtswidrigen Begriff der Aussichtslosigkeit von Rechtsmitteln” ausgegangen.
So weit so gut. Was ich hingegen zu meiner Schande nicht wusste ist, dass auch Beschuldigte unentgeltliche Rechtspflege beanspruchen können. Direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV oder wie geht das?
Es ist keine Schande. Bisher habe ich das auch gedacht und das Bundesgericht übrigens auch: 1B_328/2019 E. 4.3: “Ebenso wenig statuiert die StPO Kostenfreiheit für den bedürftigen Beschuldigten (Art. 426 Abs. 1 und 5 StPO i.V.m. Art. 428 StPO). Das Bundesgericht ist an die Bundesgesetze gebunden (Art. 190 BV).” Offenbar weiss die rechte Hand nicht, was die Linke macht. Oder verstehe ich da etwas falsch?
Exemplarisch für den Anspruch der beschuldigten Person auf unentgeltliche Rechtspflege (im Beschwerdeverfahren) direkt gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV trotz mangelnder gesetzlicher Grundlage (also kein “qualifiziertes Schweigen”?) steht 6B 1144/2016
Exemplarisch für den Anspruch der beschuldigten Person auf unentgeltliche Rechtspflege im StPO-Beschwerdeverfahren direkt gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV trotz mangelnder gesetzlicher Grundlage (also kein “qualifiziertes Schweigen”?) steht Bundesgerichtsurteil 6B 1144/2016. Nichtsdestotrotz ist die höchstrichterliche Rechtsprechung diesbezüglich stark schwankend und unvorhersehbar, was wohl auch daran liegt, dass darüber zwei unterschiedliche Abteilungen befinden.
Die Beschwerdekammer des Kt. Bern stellt in solchen Fällen die Gehörsverletzung im Dispo fest und lässt den Kanton gestützt auf Art. 417 StPO die Verfahrenskosten tragen, auch wenn die Beschwerde aufgrund der nachgeschobenen Begründung der Staatsanwaltschaft abgewiesen werden musste (vgl. BK 19 23). Warum das Bundesgericht den Umweg über die Verfassung (29 III BV) nimmt ist mir daher ebenfalls unklar…