Unerklärliche Rippenbrüche, klare Beweislage
Zum zweiten Mal musste sich das Bundesgericht mit der Einstellung eines Strafverfahrens gegen Polizeibeamte im Kanton BS befassen. Diesmal bestätigte es die Verfahrenseinstellung, denn der Fall war völlig klar und die Herkunft der Verletzungen des Opfers völlig unklar (BGer 6B_1297/2020 vom 15.06.2021; vgl. auch meinen früheren Beitrag):
Namentlich zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, inwiefern die vorhandenen Beweismittel einen anderen Schluss geradezu aufdrängen sollten. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Schilderungen der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft bzw. die Aussagen der beteiligten Polizeibeamtinnen als glaubhafter wertet. Es kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden. Insofern geht die Vorinstanz denn auch willkürfrei von einer klaren Beweislage aus. Im Übrigen sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach u.a. die Rippenbrüche durch Fusstritte der Polizistinnen verursacht wurden (…), nicht nur unvereinbar mit den Aussagen der Polizeibeamtinnen, auch das Ergänzungsgutachten vom 23. Dezember 2013 hält in diesem Zusammenhang fest, die am linken Ober- und Unterschenkel [bei der Beschwerdeführerin] festgestellten Hautunterblutungen zeigten bei der forensisch-medizinischen Untersuchung keine geformten Anteile, sodass ein Tritt mit dem beschuhten Fuss nicht belegt werden könne. Die verhältnismässig gleichmässige, flächige Ausbreitung der Hautunterblutung spreche auch eher gegen Fusstritte. […] Die Beschwerdeführerin sei vor dem Einsteigen in den Polizeiwagen nicht gestürzt, sondern habe sich fallen lassen, wobei sie von zwei Polizistinnen gestützt worden sei. Somit bleibe der konkrete Entstehungsmechanismus für die Verletzungen an der rechten Brustseite vollständig unklar. […] Auch im Zusammenhang mit der Brustkorbverletzung könne eine Einwirkung von Fusstritten, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, nicht belegt werden (…). Weiter sind gemäss Bericht des IRM vom 27. November 2012 sowohl die Schilderung der Beschwerdeführerin, wonach sie auf den Boden geworfen und von einem Polizisten mit auf den Brustkorb aufgesetztem Knie fixiert wurde, als auch die Angaben der Polizeibeamtinnen, wonach sich die Beschwerdeführerin hat fallen lassen und von ihnen hat aufgefangen werden müssen, geeignet, Rippenfrakturen hervorzurufen, insbesondere weil die Beschwerdeführerin an einer krankhaften Verminderung der Knochendichte leidet, weshalb auch bereits eine Krafteinwirkung von geringer Intensität geeignet war, die Rippenbrüche hervorzurufen (…). Die Beschwerdeführerin weist daher zwar zutreffend darauf hin, dass letztlich unklar bleibt, wie ihre Verletzungen, insbesondere die Rippenbrüche, zustande kamen. Hinsichtlich der zur Anzeige gebrachten Vorwürfe – u.a. die Fusstritte – geht die Vorinstanz nach dem Dargelegten (unzuverlässige Schilderungen der Beschwerdeführerin, die im Widerspruch zu den glaubhaften, teilweise objektivierbaren Aussagen der Polizeibeamten stehen und keine anderen belastende Beweismittel) aber trotzdem ohne Willkür von einer klaren Beweislage aus (E. 2.4, Hervorhebungen durch mich).
Ist dieses Urteil vom 1. April? Anders kann ich mir nicht erklären, wie man innert weniger Sätze von „unklar“ zu „klar“ kommt.
Dieses Urteil wirft m.E. aber auch noch andere Fragen auf: „Sie [A.__] zeigte keine Reaktion. Stattdessen stieg sie die Treppe hinauf in das zweite Stockwerk, wo sie mit einem Schlüssel die Türe zur Wohnung ihrer Tochter aufschliessen wollte. Als Polizeiwachtmeister B.__ ihre Hand anfasste und zurückzog, um sie nochmals zu einem Gespräch aufzufordern, […]“ Auf welche Rechtsgrundlage stützte sich eigentlich dieser (polizeiliche) Eingriff in die Freiheit und körperliche Integrität von A.__? Unklar ist mir zudem, ob A.__ gar bloss die Ehefrau, des am Streit beteiligten Nachbars war… („ Als dieser im Treppenhaus A.__, die Ehegattin des auf demselben Stockwerk wohnenden und mit ihm am Streit beteiligten Nachbarn, erkannte, teilte er dies den Beamten mit.“)
„[…] weshalb auch bereits eine Krafteinwirkung von geringer Intensität geeignet war, die Rippenbrüche hervorzurufen […]“
Sind demnach geringe Gewalteinwirkungen nicht strafbar? Übrigens wäre auch bei Annahme eines Sturzes zu prüfen, ob dieser nicht doch zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Polizeibeamten führt, vor allem weil A.__ mit Handschellen gefesselt war.
Ja ja erstaunlich, wie in dubio pro duriore ausgelegt wird, wenn es um Kleinkriminelle Kiffer geht oder wenn es wie hier um Polizisten geht, das vorliegend ja eine adäquate Kausalität zwischen Verletzung und mechanischer Handlung der Polizei gegeben ist, wird nicht mal bestritten.
Aber im Prinzip bedient man sich dem Gebahren wie bei Unfallsachverhalten und hier scheitern wir regelmässig am ungewöhnlichkeitskriterium, wie hier auch, es war wegen der Knochendichte halt nicht ungewöhnlich genug das es für einen Unfall/Straftat ausreichend war, dann muss es Krankheit sein…
Ja, ja, die böse staatliche Allmacht! Wäre es umgekehrt und die Polizistinnen hätten die Rippenbrüche erlitten, würde auf dieser Plattform wieder fröhlich in dubio prosecco zelebriert und über die revanchistischen Beschwerdeführerinnen hergezogen, welche die unbescholtene Beschwerdegegnerin unbedingt für eine Körperverletzung bestraft sehen wollen, die nun mal einfach nicht zu beweisen ist…
Hätten die Polizisten Rippenbrüche erlitten, wäre da eine ganzer Schwall an zusätzlichen Straftatbeständen aufgepoppt welche es beim normalen Bürger gar nicht gibt, selbst passiver Widerstand wird von StgB Art 286 erfasst.
Hinzu kämen dann noch Gewalt und Drohung gegen Beamte etc etc.
Im umgekehrten Fall wäre die Privatperson mit 100% Wahrscheinlichkeit Schuldig gesprochen worden, den der Richter wäre (auch bei noch so dünner Beweislage) absolut überzeugt gewesen vom Sachverhalt und damit ist die Beweislage auch genügend, nicht alle Wahrscheinlichkeiten sind auszuschliessen nur der Richter darf keine Zweifel mehr haben, und wenn ein Amtskollege von ihm betroffen ist, sind die Zweifel über den Sachverhalt schnell beseitigt
Die beweiswürdigung im urteil ist zwar gut begründet, liest sich aber wie eine solche eines sachgerichts. Schon eher erstaunlich, dass das in dubio pro duriore durchging…