"Unerreichbare" Polizeiakten

Im Fall der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Zürich im Februar 1999 hatte das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde eines zu 14 Monaten Gefängnis bedingt verurteilten Geiselnehmers zu beurteilen (Urteil 1P.297/2005 vom 03.07.2006). Dieser hatte seine Rolle bei der Besetzung bestritten und wollte anhand von Polizeiakten beweisen, was seine Rolle wirklich war. Diese Akten wurden ihm allerdings nicht zugänglich gemacht. Vor Bundesgericht hat er folgerichtig gerügt,

die zuständigen Behörden seien ihrer Dokumentationspflicht nicht nachgekommen, bzw. durch die verweigerte Akteneinsicht habe der Beschwerdeführer keine Möglichkeit gehabt, gegebenenfalls entlastende Dokumente – darunter die Verhandlungsprotokolle der drei Verhandlungsrunden mit der Polizei, das Einsatzjournal und das Hauptjournal der Polizei – einzusehen.

Das Bundesgericht hatte damit Gelegenheit, ein Grundsatzurteil zur Frage der Dokumentationspflicht im Strafprozess zu fällen. Statt dessen wies es die Beschwerde aus schwierig nachvollziehbaren Gründen ab und wich den eigentlichen Fragen weitgehend aus.

Bei der Frage der Verletzung der Dokumentationspflicht wirft das Bundesgericht dem Beschwerdeführer vor, er befasse sich nicht hinreichend mit der Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts, das hierfür “in erster Linie” massgeblich sei. Es trat somit gar nicht auf die Beschwerde ein.

Im Weiteren machte der Beschwerdeführer unter dem Asoekt des rechtlichen Gehörs folgendes geltend:

Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, aus den nicht beigezogenen, vollständigen polizeilichen Protokollen würde sich ergeben, dass er lediglich Überbringer der Nachrichten der Geiselnehmer und weder als Besetzer noch als Geiselnehmer tätig gewesen sei bzw. Einfluss auf den Ablauf der Ereignisse genommen habe. Insbesondere wäre aus diesen Akten hervorgegangen, dass ihm in keiner Weise eine wichtige Stellung und Funktion zugekommen sei (E. 5.3.2).

Dazu das Bundesgericht lapidar:

Der Beschwerdeführer legt jedoch nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dar, inwiefern sich damit am Schuldspruch etwas hätte ändern müssen und somit die dargelegte Schlussfolgerung des Kassationsgerichtes unzutreffend sei. Gesamthaft gesehen vermag der gerichtlich angenommene Umstand, dass dem Beschwerdeführer wegen des am 17. Februar 1999 stattgefundenen Gesprächs mit der polizeilichen Verhandlungsgruppe eine im Vergleich mit den übrigen Aktionsmitgliedern wichtige Funktion und Stellung zugekommen sei, bei objektiver Betrachtung keine Verfassungsverletzung zu begründen (E. 5.3.3).

Fazit: Die strafprozessuale Dokumentationspflicht ist nicht durchsetzbar, wenn nicht willkürliche Anwendung kantonalen Rechts nachzuweisen ist. Die immer wieder beschworene materielle Wahrheit findet ihre Grenze dort, wo eine Verwaltungsbehörde wie die Polizei Akten aus welchen Gründen auch immer nicht herausgeben mag.

Im Ergebnis wirft das Bundesgericht dem Beschwerdeführer etwas überspitzt ausgedrückt vor, seine Beschwerde nicht hinreichend begründet zu haben. Dass er dies mangels der fraglichen Akten gar nicht konnte, berücksichtigt das Bundesgericht nicht.