Unfaires Appellationsgericht

Wenn ein Gericht  selbst Verfahrensfehler begeht, sollte es mit Vorwürfen des Rechtsmissbrauchs und der Trölerei an eine nicht anwaltlich vertretene Beschuldigte vorsichtig sein.

Das ist die Botschaft des Bundesgerichts an das Appellationsgericht BS (BGer 6B_696/2018 vom 18.09.2018):

Das Verschiebungsgesuch war hinreichend begründet und aufgrund der offensichtlichen Verfahrensfehler der Vorinstanz auch nicht rechtsmissbräuchlich oder trölerisch (E. 4.2).

Bereits im Vernehmlassungsverfahren zur ersten Laienbeschwerde hatte sich das Appellationsgericht vergriffen:

Die Vorinstanz verstösst gegen den Grundsatz des Fairnessgebots (vgl. Art. 3 StPO), wenn sie in ihrer Vernehmlassung im Verfahren 1B_542/2017 ausführt, die Berufungsverhandlung sei (nur) mangels eines entsprechenden Antrags der Beschwerdeführerin vor Schranken nicht verschoben worden. Soweit die Vorinstanz damit nachträglich implizit zum Ausdruck bringt, sie gehe von einem stillschweigenden Verzicht auf anwaltliche Verteidigung seitens der Beschwerdeführerin aus, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz scheint zu übersehen, dass der Präsident das als “Verhinderungsmeldung gemäss Art. 205 StPO” bezeichnete Verschiebungsgesuch der Beschwerdeführerin vom 7. Dezember 2017 mit Verfügung vom gleichen Tag abgewiesen und die Beschwerdeführerin unter der Androhung, dass andernfalls die Berufung als zurückgezogen gelte, zum persönlichen Erscheinen verpflichtet hat. Damit hat er seine Verfügung vom 31. August 2017, dass “die Berufungsverhandlung auch im Falle eines Beizugs eines/einer Privatverteidigers/Privatverteidigerin nicht verschoben wird”, trotz des expliziten Verschiebungsantrags der Beschwerdeführerin am Vortag der Berufungsverhandlung bestätigt. Unter diesen Voraussetzungen kann von der Beschwerdeführerin als juristische Laiin nicht verlangt werden, ihr bereits zuvor schriftlich hinreichend begründetes Verschiebungsgesuch, wonach es ihr aufgrund der um drei Monate verspäteten Eröffnung der Verfügung vom 31. August 2017 unmöglich sei, das “jedem Angeschuldigten zustehende Recht auf Verteidigung angemessen wahrnehmen zu können”, an der Berufungsverhandlung zu erneuern (E. 4.2, Hervorhebungen durch mich).

Im Ergebnis hat das Appellationsgericht seine Fürsorgepflicht verletzt:

Die aus dem Fairnessgebot abgeleitete richterliche Fürsorgepflicht (…) hätte erfordert, dass die Vorinstanz aufgrund der vom Gericht zu verantwortenden verspäteten Eröffnung der Verfügung vom 31. August 2017 die Berufungsverhandlung von Amtes wegen gemäss Art. 65 Abs. 2 i.V.m. Art. 92 StPO verschiebt (…) oder aber die anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführerin ausdrücklich über ihre Verteidigungsrechte, d.h. über die Möglichkeit des Beizugs einer Verteidigung bei gleichzeitiger Verschiebung der Hauptverhandlung aufklärt, um deren Recht auf genügende Verteidigung und rechtliches Gehör sicherzustellen (E. 4.2).

Sowas kann eigentlich nur passieren, wenn Verteidigung nicht erwünscht ist. Eine andere Erklärung finde ich auf die Schnelle nicht.