Ungültig oder bloss ordnungswidrig?

Der schweizerische Gesetzgeber scheint nichts so sehr zu fürchten wie klare Regeln. Paradebeispiel ist die unsägliche Unterscheidung zwischen nirgends definierten Gültigkeits- und Ordnungsvorschriften in der StPO.

In einem neuen Grundsatzentscheid (BGE 7B_455/2023 vom 03.10.2024, Publikation in der AS vorgesehen) hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob es sich bei dem in Art. 263 Abs. 2 StPO statuierten Erfordernis der nachträglichen schriftlichen Bestätigung der mündlich angeordneten Beschlagnahme um eine Gültigkeitsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO oder um eine Ordnungsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 3 StPO handelt. Die Frage stellte sich nur, weil das zur Anklage gebrachte Delikt kein schweres war, wofür die StPO ebenfalls keine Definition enthält.

Das Bundesgericht erwägt überzeugend, wie wichtig die nachträgliche Verschriftlichung sei und zieht folgendes Fazit:

Zusammenfassend stellte die Pflicht der Staatsanwaltschaft zur nachträglichen schriftlichen Bestätigung der mündlich angeordneten Beschlagnahme (Art. 263 Abs. 2 StPO) im vorliegenden Fall eine Gültigkeitsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO dar. Folglich sind die Hanfsetzlinge bzw. die aufgezogenen Hanfpflanzen sowie die im Bericht des Forensisch-Naturwissenschaftlichen Dienstes der Kantonspolizei St. Gallen vom 27. April 2020 enthaltenen Analysen der Hanfpflanzen nach Art. 141 Abs. 4 StPO nicht verwertbar. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet (E. 4.4.11, Hervorhebungen durch mich). 

Und weil auch das Bundesgericht klare Regeln fürchtet, betont es, dass die Vorschrift “im vorliegenden Fall” eine Gültigkeitsvorschrift darstelle.