Unnötige oder fehlerhafte Verfahrenshandlungen

Staatsanwälte können selbst dann erfolgreich Beschwerde führen, wenn sie sich am Verfahren vor der Vorinstanz nicht bzw. bloss sinngemäss beteiligten und für festgestellte Verfahrensmängel selbst verantwortlich waren (BGer 6B_936/2015 vom 25.05.2016).

Zur Frage der Beschwerdelegitimation:

Die Staatsanwaltschaft verzichtete im vorinstanzlichen Verfahren unter Verweis auf die zutreffenden Erwägungen der ersten Instanz auf eine Berufungsantwort (…). Sie beantragte damit sinngemäss Abweisung der Berufung. Auf die Beschwerde ist einzutreten (E. 1).

Die Verurteilte, die im Kostenpunkt teilweise obsiegte, hat den Entscheid nicht angefochten. Angefochten hat hingegen die Staatsanwaltschaft. Sie war erfolgreich, weil sie ihren fehlerhaften Strafbefehl durch eine Anklage gerettet hat..

Rechtlich ist der Fall deshalb interessant, weil sich das Bundesgericht in Fünferbesetzung zur Tragweite von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO äussert.

Mit dem Strafbefehl vom 22. Oktober 2012 wurde die Beschwerdegegnerin “der mangelnden Aufmerksamkeit im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV begangen am Mittwoch, 05.09.2012, 18:45 Uhr, in Tuggen, Autobahn A53, Fahrtrichtung Reichenburg, mit dem Personenwagen xxx” schuldig gesprochen. Zu den konkreten Tatumständen fehlt jeder Hinweis. Der Strafbefehl genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Er erweist sich als mangelhaft und stellt eine fehlerhafte Verfahrenshandlung im Sinne von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO dar. Die Vorinstanz sah zutreffend davon ab, der Beschwerdegegnerin die entsprechenden Kosten von Fr. 140.– aufzuerlegen. Dies widerspricht nicht der Rechtsprechung, wonach ein “fehlerhafter” Strafbefehl nicht in den Anwendungsbereich von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO fällt (vgl. Urteile 6B_1025/2014 vom 9. Februar 2015 E. 2.3.2; 6B_811/2014 vom 13. März 2015 E. 1.4; 6B_485/2013 vom 22. Juli 2013 E. 2.3). Das Bundesgericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Einsprache gegen einen Strafbefehl kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf sei. Die Bestimmungen über die Kosten im Rechtsmittelverfahren seien deshalb nicht anwendbar. In den erwähnten Entscheiden ging es allesamt um Fälle, in welchen die gerichtliche Instanz von einer anderen Würdigung ausging, als die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl. Der Begriff “fehlerhaft” ist in diesem Sinne zu verstehen und bezieht sich nicht auf Strafbefehle, die – wie vorliegend – den gesetzlichen Mindestanforderungen nicht genügen.

Dem angefochtenen Urteil ist hingegen nicht zu entnehmen, inwiefern die auf Einsprache der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Untersuchungshandlungen unnötig oder fehlerhaft gewesen sein sollen. Nicht zu folgen ist der von der Vorinstanz in der Vernehmlassung vom 30. Dezember 2015 geäusserten Auffassung, dass die in Art. 355 Abs. 3 lit. d StPO vorgesehene selbstständige Anklageerhebung nicht dazu diene, mangelhafte Strafbefehle zu korrigieren und die weiteren Untersuchungshandlungen daher unnötigerweise verursacht worden seien. Die Anklage vom 14. August 2014 führte zur Verurteilung der Beschwerdegegnerin und deren Zulässigkeit war nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese bestimmt, in welchem Umfang der Beschwerdegegnerin die Untersuchungskosten für die Zeit nach dem Strafbefehl vom 22. Oktober 2012 aufzuerlegen sind (E. 2.3.2).
Damit wird die Verurteilte auch die gesamten Kosten nach dem Erlass des Strafbefehls zu tragen haben. Dank einer Parteientschädigung des Bundesgerichts (wieso eigentlich?) wird es sich wohl in etwa ausgleichen.