Unrechtmässige Beschlagnahme sämtlicher Geschäftsfahrzeuge
Das Bundesgericht präsentiert und in einem heute veröffentlichten Entscheid eine Geschichte, die man in der Schweiz kaum für möglich halten würde.
Den Sachverhalt fasst das Bundesgericht wie folgt zusammen (BGer 1B_133/2017 vom 16.05.2017):
A. überstellte am 4. Februar 2017, um ca. 09:30 Uhr, seinen Lieferwagen Ford Transit von seinem Privatparkplatz in Rheinfelden zu einem rund 10 m entfernten Parkplatz eines Restaurants, obwohl ihm das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau den Führerausweis am 1. Juli 2016 auf unbestimmte Zeit entzogen hatte.
Am 7. Februar 2017 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg sämtliche auf A. bzw. seine Einzelfirma zugelassenen Motorfahrzeuge (Ford Transit, Subaru Outback, Ford Tourneo) zur Kostensicherung sowie zur Einziehung.
Am 9. März 2017 wies das Obergericht die Beschwerde von A. gegen diese Beschlagnahmeverfügung ab.
Das Bundesgericht kassiert den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau. Dieses hätte nicht nur Art. 69 StGB beachten müssen, sondern auch Art. 90a Abs. 1 SVG:
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid allein die allgemeine Einziehungsbestimmung von Art. 69 StGB zur Anwendung gebracht und die hier anwendbare, eigens für Motorfahrzeuge geschaffene Spezialbestimmung von Art. 90a Abs. 1 SVG zu Unrecht ausser Acht gelassen.
Die im SVG vorausgesetzte Skrupellosigkeit erkennt das Bundesgericht nicht:
Selbst wenn der Beschwerdeführer mehrfach einschlägig vorbestraft ist und der Tatvorwurf schon deshalb keine Bagatelle darstellt, liegt darin klarerweise auch keine grobe, in skrupelloser Weise begangene Verkehrsregelverletzung im Sinn von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG. Eine Einziehung der Fahrzeuge nach dieser Bestimmung erscheint damit jedenfalls beim jetzigen Stand der Untersuchung höchst fraglich. Ihre Beschlagnahme verletzt daher Bundesrecht, die Rüge ist begründet (E. 2.3).
Auch eine Deckungsbeschlagnahme kam gemäss Bundesgericht nicht infrage::
Eine allfällige Deckungsbeschlagnahme des Ford Transit für Verfahrenskosten etc. würde konkrete Anhaltspunkte dafür voraussetzen, dass sich der Beschwerdeführer seiner möglichen Zahlungspflicht entziehen könnte (Urteil 1B_109/2014 vom 3. November 2014 E. 4.3). Solche wurden von der Vorinstanz nicht festgestellt und sind auch nicht ersichtlich. Eine Deckungsbeschlagnahme des Ford Transit – in Bezug auf die beiden weiteren Fahrzeuge wurde sie bereits vom Obergericht ausgeschlossen – steht daher nicht zur Debatte (E. 2.4).
Eigentlich wäre der Fall ein Beispiel dafür, dass die Macht der Staatsanwaltschaften zu weit geht. Andererseits kann die Staatsanwaltschaft für sich beanspruchen, dass die kantonale Justiz die Beschlagnahme geschützt hat.
> „eine Geschichte, die man in der Schweiz kaum für möglich halten würde.“
Das war in der guten alten Zeit so, aber heutzutage?