Unsachliche Verfahrenstrennung

Verfahrensleiter treffen bisweilen schwer verständliche Entscheidungen. In einem heute publizierten Fall war eine Verfahrensabtrennung gemäss Bundesgericht nicht nur schwer verständlich, sondern unsachlich (BGer 6B_1030/2015 vom 13.01.2016, Fünferbesetzung).

Im zu beurteilenden Fall ging es um ein Strafverfahren gegen drei Beschuldigte. Nachdem der Verfahrensleiter gegenüber einem Beschuldigten befangen war, trennte er einfach auf und wirkte bei der Verurteilung der anderen mit. Das konnte natürlich nicht gut gehen:

Ausstandsgründe einer in einer Strafbehörde tätigen Person betreffen ausschliesslich organisatorische Aspekte und stellen gemäss gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung keinen sachlichen Grund für eine Verfahrenstrennung gemäss Art. 30 StPO dar. Einer Befangenheit der Verfahrensleitung ist mit der Einsetzung einer unbefangenen Verfahrensleitung zu begegnen, die das Verfahren gegen alle beschuldigten Personen gemeinsam führt (vgl. Urteil 1B_86/2015 und 1B_105/2015 vom 21. Juli 2015 E. 2.1). Dies gilt auf allen Verfahrensstufen (E. 2.3.2).

Das Bundesgericht äusserte sich auch noch zu den Folgen, welche die Richtigkeit seines Entscheids untermauern:

Zudem war mit den rechtskräftigen Schuldsprüchen gegen die Beschuldigten Y. und Z. die Sache in Bezug auf die der Geldwäscherei zugrundeliegenden Vortaten zu Ungunsten des Beschwerdeführers faktisch vorgespurt. Die Vorinstanz führt im angefochtenen Entscheid aus, dass  “aufgrund der Ergebnisse in den [zusammengeführten und angeklagten] Parallelverfahren (…) gegen Y. und (…) Z. in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht feststeht, dass Z. und Y. (…) in beiden Fällen einen Leasingbetrug begingen “. Eine freie und unabhängige Feststellung des angeklagten Sachverhalts war im Hinblick auf die Leasingbetrüge (faktisch) ausgeschlossen. Dass die Vorinstanz sich in Widerspruch zu ihren eigenen, in fast identischer Besetzung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und deren rechtliche Beurteilung in den Parallelverfahren gegen die Beschuldigten Y. und Z. setzt, erscheint allenfalls theoretisch denkbar (vgl. Urteil 1B_187/2015 vom 6. Oktober 2015 E. 1.5.3).
Ob der Beschwerdeführer überhaupt Kenntnis der Urteile gegen die Mitbeschuldigten hatte und ob die vier Oberrichter und der Gerichtsschreiber, die bei allen Urteilen mitgewirkt haben, vorbefasst waren (Art. 56 StPO), kann aufgrund der unzlässigen Verfahrenstrennung offenbleiben.

Kein Gehör fand der Beschwerdeführer mit der Rüge der Verletzung des Anklageprinzips. Das Bundesgericht stellte aber immerhin klar, was nicht in die Anklage gehört:

In die Anklage gehören deshalb keine Hinweise auf Beweise oder Ausführungen, die die Anklagebehauptungen in sachverhaltsmässiger Hinsicht oder bezüglich der Schuld- oder Rechtsfragen stützen (E. 1.3).

Diese Klarstellung ist wichtig, weil Staatsanwälte bisweilen dazu neigen, Anklageschriften wie zivilprozessuale Klageschriften zu verfassen und alle (bzw. natürlich nur die belastenden) Beweismittel in die Anklageschrift zu integrieren.