Unschuldsvermutung verletzt
Das Obergericht AG hat die Unschuldsvermutung verletzt, indem es bei Strafzumessung auf Umstände abgestellt hat, die in der Anklage nicht vorhanden waren (BGer 6B_370/2024 vom 05.08.2024):
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den vorinstanzlichen Erwägungen zu ihrer Fahrfähigkeit erhobenen Rüge ist entscheidend, dass ein Fahren in fahrunfähigem Zustand der Beschwerdeführerin in der Anklageschrift nicht vorgeworfen wird. Wäre die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass genügend Hinweise für eine Fahrunfähigkeit bestünden, so hätte sie dies – zusätzlich zur Vereitelungshandlung – so angeklagt. Mit ihrer Formulierung, der Umstand, dass vorliegend – aus welchen Gründen auch immer – keine Anklage wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand erhoben worden sei, führe nicht dazu, dass deshalb im Rahmen der Strafzumessung keine Feststellungen zur Fahrfähigkeit getroffen werden dürften und der darauf folgenden Feststellung, es bestünden erhebliche Hinweise auf eine eingeschränkte Fahrfähigkeit, verletzt die Vorinstanz die Unschuldsvermutung. Aus den Erwägungen zur Strafzumessung ergibt sich auch, dass dieser Umstand zu Ungunsten der Beschwerdeführerin in die Strafzumessung eingeflossen ist. Zufolge Verletzung der Unschuldsvermutung erweist sich die Strafzumessung der Vorinstanz somit als bundesrechtswidrig (E. 2.3.4, Hervorhebungen durch mich).
Ich will am Ergebnis natürlich nicht herumnörgeln, aber dieser Entscheid liest sich aufgrund der unnötig langen Schachtelsätze nicht ganz einfach.
Da muss ich zustimmen, dieser Schachtelsatz hätte zerlegt werden müssen.
Schachtelsätze triumphieren! Solche kunstvoll verschachtelten Konstruktionen entziehen sich der simplen Isolation einzelner Teile (z.B. Zitate schneiden) und bieten somit einen wirksamen Schutz gegen jegliche Versuche, den Sinn manipulierend zu verändern.
Der Schreibstil dieser Gerichtsschreiberin erfreut mich ungemein.
Es liegt fern, in irgendeiner Weise sexistisch erscheinen zu wollen, doch scheint es mir, als ob die weiblichen Gerichtsschreiberinnen am BGer ein höheres Mass an sprachlicher Finesse an den Tag legen als ihre männlichen Kollegen.
Solch “kunstvoll” verschachtelte Konstruktionen (böse Zungen würden es “geistige Masturbation” nennen) entziehen sich auch der allgemeinen Verständlichkeit, was im Rahmen der Rechtsprechung, wie auch der Gesetzgebung, überhaupt nicht begrüssenswert ist.
Es bringt schliesslich auch nichts, wenn solche Schachtelsätze in anderen Fällen zitiert werden und das Gericht bzw. die Parteivertretungen oder Parteien diesen Satz nicht ohne Weiteres verstehen.