Untauglicher Versuch der innovativen Lösung eines Gerichtsstandskonflikts

Eine kantonale Staatsanwältin hat eine einfache Lösung ge- bzw. erfunden, um einen Fall an die Strafbehörden eines anderen Kantons zu verweisen. Sie hat kuzerhand eine Abtretungsverfügung erlassen, mit welcher das Verfahren an die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin abgetreten wurde. Dass es so einfach kaum gehen kann, bedarf keiner besonderen Kenntnisse des Zuständigkeitsrechts. Bereits ein rudimentäres staats- und organisationsrechtliches Verständnis müsste nahe legen, dass eine Staatsanwältin eines Kantons nicht einen anderen Kanton verpflichten kann, ein Strafverfahren zu führen (übersehen hat die Staatsanwältin übrigens auch, dass sie auch innerkantonal unzuständig war).

Der Kanton Tessin liess sich das nicht bieten und gelangte an das Bundesstrafgericht (BStGer BG.2012.44 vom 30.10.2012), das die Nichtigkeit der Abtretungsverfügung feststellte.

Ein Blick in die StPO zeigt auf, dass nach fehlgeschlagenem Einigungsversuch die Gerichtsstandsfrage dem Bundesstrafgericht zum Entscheid vorzulegen ist. Denn die einzelnen Kantone – hierarchisch gleichgeordnet – können nicht ohne weiteres für andere Kantone bindende Verfügungen erlassen (…). Aus dem Begriff der Verfügung ergibt sich notwendigerweise die Überordnung der verfügenden Instanz über den Verfügungsadressaten (…). Aufgrund der Gleichheit der Kantone kann der Beschwerdegegner keine Verfügung erlassen, die den Kanton Tessin in Zuständigkeitsfragen bindet (E. 1.2).

Das Gericht prüfte noch, ob die von einer offensichtlich unzuständigen Beamtin erlassene und damit nichtige Verfügung durch Heilung gerettet werden kann, musste aber auch diesen Ausweg verwerfen. Es liess es sich aber nicht nehmen, wenigstens auf die Möglichkeit der persönlichen Kostenauflage hinzuweisen:

In Gerichtsstandsverfahren werden mangels gesetzlicher Grundlage keine Gerichtskosten erhoben. Unabhängig davon kann sich aber eine Kostenauflage bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen aufdrängen (Art. 417 StPO). Hierbei kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch eine persönliche Kostenauflage in Betracht (CREVOISIER, Code de procédure pénale suisse, Art. 417 StPO N. 2 mit Hinweis auf BGE 129 IV 207). Davon ist vorliegend angesichts des geringen verursachten Aufwandes indessen abzusehen (E. 5).