Untauglicher Zeugenbeweis

Die NZZ am Sonntag macht auf das Innocence Project aufmerksam, das in den USA 200 nachweisbare Fehlurteile auf ihre Gründe hin untersucht. Aus dem Beitrag der NZZ am Sonntag:

Alle 200 DNA-Freigesprochenen waren für Vergewaltigung, Mord oder für beide Verbrechen verurteilt worden. Die Analyse des Beweismaterials ergab, dass sich in 79 Prozent der Fälle Augenzeugenberichte oder die nachträgliche Identifikation (durch das Opfer oder durch Augenzeugen) falsch erwiesen. In 55 Prozent der Fälle stellten sich gerichtsmedizinische Analysen und Expertisen als mangelhaft oder schlicht falsch heraus – was sich auf Fehler, unsachgemässe Handhabung und sogar auf absichtliche Fälschung zurückführen liess. Meistens handelte es sich dabei um Blut oder Spermien, aber in 42 Fällen erwies sich die Identifikation von Haar als falsch – ein «notorisch unzuverlässiges» Gebiet, wie Garrett schreibt. Von jenen 16 Prozent, die ihre «Schuld» gestanden hatten, waren zwei Drittel minderjährig oder geistig behindert – oder beides.

Die Erkenntnis, dass der Zeugenbeweis in der Regel unzuverlässig ist, hat sich ja auch hierzulande durchgesetzt. Aber wenn sonst nichts an Beweisen vorhanden ist, stellt man dann doch immer wieder darauf ab. Das geht umso einfacher, je unwirksamer die Rechtsmittel sind und je stärker die Rechtssicherheit über die sonst immer wieder beschworene materielle Wahrheit gestellt wird.