Untersuchungshaft schafft Rechtskraft
In der gestrigen Ausgabe der NZZ berichtet brh. über einen Prozess vor Obergericht des Kantons Zürich. Aus ihrem Bericht:
Beim Strafmass entscheidet sich die Berufungsinstanz für eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Davon muss der Betreiber zehn Monate absitzen, also «zufälligerweise» genau so viel, wie er bereits in der Untersuchungshaft verbracht hat.
Ich bin sicher, dass dies in der schriftlichen Urteilsbegründung derart differenziert begründet werden wird, dass es tatsächlich Zufall, reiner Zufall und nichts als Zufall sein kann.
1. Glauben Sie nicht alles, was in der Zeitung steht.
2. Was, wenn das Gericht zum Schluss kam, dass 11 oder 11,5 Monate unbedingte Freiheitsstrafe angemessen gewesen wären. Dann hätte sich der “Zufall” zugunsten des Beschuldigten ausgewirkt. Würden Sie auch dann den Entscheid kritisieren?
3. Ziff. 2 ist Spekulation, wie auch Ihr Kommentar.
Ich glaube so sehr, was brh. schreibt, dass ich sogar dafür bezahle. Ich glaube ihr hier umso mehr, als sie über Zufälle berichtet, die mir in der Praxis (nicht in der Zeitung) schon erstaunlich oft begegnet sind. Aber danke für den Hinweis gemäss Ziff. 1. Ich dachte bisher, das gelte nur für das Fernsehen.
brh in Ehren, aber auch ein Drittel der Strafe unbedingt ist ein nicht unübliches Mass. Mit “Kevin” mag es also in der Tat neben fiskalischen auch “gute” Gründe für konkrete Sanktion geben. Journalist(inn)en sehen meist nur die möglichen “bösen”; auch kj?
Dann hätte brh. ja bloss die Anführungs- und Schlusszeichen weglassen sollen. Ich hätte sie tatsächlich auch nicht weggelassen.
Ist auch meine Erfahrung, dass der unbedingte Teil einer Strafe sehr oft nur knapp über der Dauer der Untersuchungshaft zu liegen kommt. Ich vermute, Zufall ist das tatsächlich nur in Anführungszeichen.
Aber, aber: Da wettert die Verteidigung ständig – und zu Recht – über die antizipierte Beweiswürdigung der Gerichte, macht aber hier (bei der Frage, wie das Strafmass zustande gekommen ist) genau das Gleiche zu Lasten der Gerichte. Ist das etwa ein menschlicher Zug?
Dieses Thema trifft ganz offensichtlich einen Nerv!
In jungen Jahren glaubte ich noch an eine objektive Rechtschaffenheit der eidgenössischen Justizorgane und hätte solche Anführungszeichen als tendenziös verurteilt.
Mit zunehmender Senilität und Erfahrung habe ich diesen Glauben gänzlich verloren und finde, dass die Formulierung mit Anführungszeichen ebenso elegant ist wie der letzte Absatz des Blogtexts.