Unverschuldet schuldunfähig weggesperrt

Dafür, dass auch schuldunfähige Personen strafrechtlich sanktioniert werden können, sorgen die m.E. völlig quer in der Landschaft stehenden Art. 374 f. StPO. Aber weil sie nun einmal demokratisch bestens legitimiert da stehen, wurde im Kanton Zürich ein Mann zu einer Massnahme nach Art. 59 StGB verurteilt, nachdem er in “unverschuldeter Schuldunfähigkeit” an einem Tag dreimal schwere Drohungen am Telefon ausgesprochen hatte. Diagnose: chronifizierte paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0) sowie Abhängigkeitserkrankung von multiplen Substanzen (ICD-10: F19.2).

Das Bundesgericht, vielleicht in vorweihnächtlicher Stimmung, erinnert das OGer ZH daran, dass das Verhältnismässigkeit gebieten könne, die Dauer der Massnahme zeitlich zu beschränken (BGer 6B_1172/2020 vom 21.12.2020). Es hat die Massnahme daher reformatorisch auf zwei Jahre befristet. Insgesamt sei

festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer begangenen Taten bezüglich ihrer Tragweite im unteren Bereich von denkbaren Anlassdelikten für eine stationäre Massnahme liegen. Ohne adäquate Behandlung sind vom Beschwerdeführer Straftaten von einer nicht unerheblichen Tragweite zu erwarten, die geeignet sind, den Rechtsfrieden ernsthaft zu stören. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr weiterer Straftaten vermag die mit der Anordnung der stationären Massnahme einhergehenden Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit gegenwärtig grundsätzlich noch zu rechtfertigen. Allerdings ist das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht nur bei der Anordnung der stationären Massnahme, sondern auch hinsichtlich deren Dauer zu beachten (BGE 145 IV 65 E. 2.2 S. 69 und E. 2.6.1 S. 74; 135 IV 139 E. 2.4 S. 144; Urteil 6B_636/2018 vom 25. Juli 2018 E. 4.2.3; je mit Hinweisen). Eine zeitliche Beschränkung der Anordnungsdauer der stationären Massnahme auf weniger als fünf Jahre ist nicht nur bei der Verlängerung der Massnahme, sondern auch bei der Erstanordnung zulässig (BGE 145 IV 65 E. 2.6.1 S. 74; Urteil 6B_636/2018 vom 25. Juli 2018 E. 4.2.3). Das Gericht hat für die Verhältnismässigkeit der stationären therapeutischen Massnahme in zeitlicher Hinsicht einen allfälligen vorzeitigen Massnahmenvollzug mitzuberücksichtigen (BGE 145 IV 65 E. 2.6.1 S. 74 mit Hinweis auf MARIANNE HEER, Die Dauer therapeutischer Massnahmen und die Tücken deren Berechnung, forumpoenale 3/2018 S. 186 und CHRISTIAN PFENNINGER, Der Beginn der Überprüfungsfrist nach Art. 59 Abs. 4 StGB bei vorzeitigem Massnahmenantritt, SZK 2/2017 S. 37 f.). Während sich der Sachverständige in seinem Gutachten nicht näher zu der zu erwartenden Behandlungsdauer äussert bzw. von einer intensiven und langfristigen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung ausgeht (…), wird im Therapieverlaufsbericht von einer Behandlungsdauer von mindestens zwei bis drei Jahren ausgegangen (…). In Würdigung der konkreten Umstände, der im Verhältnis zu möglichen Anlasstaten doch “relativen Geringfügigkeit” der vom Beschwerdeführer begangenen Drohungen, der deutlich erhöhten Rückfallgefahr für allgemeine und allenfalls massivere Gewaltdelikte sowie der geschätzten Behandlungsdauer von zwei bis drei Jahren und in Berücksichtigung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs, ist die stationäre therapeutische Massnahme in Nachachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips auf zwei Jahre zu begrenzen. Das vorinstanzliche Urteil ist entsprechend abzuändern. Der Vollzugsbehörde steht es frei, den Beschwerdeführer bereits vor Ablauf dieser Dauer bedingt aus dem stationären Massnahmenvollzug zu entlassen, sobald die Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl. Art. 62 und 62d StGB). [E. 1.7.3, Hervorhebungen durch mich].  

Der letzte Satz dieser Erwägung dürfte einem Höchstgericht eigentlich nicht passieren, auch wenn es sich eventuell bloss um eine unsorgfältig gewählte Formulierung handelt. Es steht der Vollzugsbehörde selbstverständlich nicht frei, den Beschwerdeführer zu entlassen, sobald die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Sie muss ihn entlassen.

Aber zugegeben, für den hier betroffenen Beschwerdeführer wird das ohnehin keine Rolle spielen, denn ich würde mich sehr wundern, wenn diese Massnahme ausnahmsweise nicht verlängert würde.