Unverwertbare Beweismittel im Skyguide-Prozess?

Im Skyguide-Prozess liefern die Plädoyers der Verteidiger Gesprächsstoff. Der Masterplan besteht offenbar darin, die Schuld allein dem ermordeten Fluglotsen zuzuweisen und die belastenden Beweismittel als unverwertbar darzustellen. Dies mag rein technisch gesehen richtig sein, berücksichtigt aber wahrscheinlich zu wenig das enorme öffentliche Interesse am Verfahren. Die Strategie wird in den Augen des Publikums mit grosser Sicherheit als schäbig aufgefasst, was mit ebenso grosser Sicherheit auch das Gericht beeinflussen wird. Man wird es sehen und analysieren.

Zur Verwertungsfrage zitiere ich hier kurz aus der NZZ. Behauptet wird einerseits die Verletzung des Konfronationsanspruchs (Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. d EMRK):

Der in der Unglücksnacht alleine diensthabende Fluglotse sei vor seinem Tod sechs Mal einvernommen worden und habe dabei die Angeklagten belastet, […]. Keiner der Angeklagten sei jedoch je mit dem Lotsen konfrontiert worden und habe zu dessen Aussagen Stellung nehmen können oder müssen. Im Falle einer Verwertung dieser Aussagen würde deshalb das Fairness-Prinzip verletzt (NZZ).

Ob das Argument stichhaltig ist, kann aus der Ferne schlecht beurteilt werden. Ein unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts könnte weiterführen (1P.186/2004 vom 23.09.2004). In jenem Fall entschied das Bundesgericht im Sinne der Verteidigung. Die Belastungszeugen waren nicht mehr in der Schweiz und es wurde nichts unternommen, das Konfrontationsrecht zu gewährleisten, obwohl dies möglich gewesen wäre. Im Skyguide-Prozess ist die Konfrontation nicht mehr möglich, war es aber natürlich zu Beginn der Untersuchungen. Das Bezirksgericht hat damit also eine recht knifflige Frage zu beantworten und sollte sich dabei am Sinn und Zweck des Konfrontationsrechts orientieren. Ein Blick über den Atlantik kann hier nicht schaden:

Admitting statements deemed reliable by a judge is fundamentally at odds with the right of confrontation. To be sure, the Clause’s ultimate goal is to ensure reliability of evidence, but it is a procedural rather than a substantive guarantee. It commands, not that evidence be reliable, but that reliability be assessed in a particular manner: by testing in the crucible of cross-examination. The Clause thus reflects a judgment, not only about the desirability of reliable evidence (a point on which there could be little dissent), but about how reliability can best be determined (USSC, 541 U.S. 36, Crawford v. Washington).

Auch das Gutachten wird von der Verteidigung als unverwertbar qualifiziert:

Dieses sei nicht für ein Strafverfahren, sondern für die deutsche Bundesstelle für Fluguntersuchung (BFU) erstellt worden. Daher sei der Sachverständige auch nicht richtig über die Rechtslage informiert worden. Vor Gericht nicht brauchbar sei das Gutachten zudem, weil sich der Sachverständige darin offensichtlich auch auf Informationen stütze, die er informell bei Drittpersonen eingeholt hatte.

Diesen Argumenten gebe ich wenig Chancen. Ich gehe davon aus, dass es der Verteidigung möglich war, dem Gutachter Ergänzungsfragen zu stellen, womit allfällige Mängel “geheilt” wurden.