Unwirksame Publikation im Amtsblatt

Das ZMG des Kantons Bern hat eine Einladung an eine Beschuldigte zur Stellungnahme zu einem Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft im Amtsblatt veröffentlicht und danach entschieden. Das Bundesgericht kassiert den Entsiegelungsentscheid (BGer 7B_209/2024 vom 08.05.2024), weil die Mitteilung nicht rechtswirksam zugestellt wurde (Verletzung von Art. 85 und Art. 88 StPO sowie Art. 29 Abs. 2 BV):

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass es vorliegend an den Voraussetzungen einer Eröffnung durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne von Art. 88 StPO fehlte. Zwar war der Vorinstanz die Adresse des Beschwerdeführers unbestrittenermassen nicht bekannt. Jedoch hatte dieser anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme vom 7. Dezember 2023 – nachdem er über die Sicherstellung seines Mobiltelefons und die Möglichkeit der Siegelung belehrt worden war – angegeben: “Meine Post kann zu meiner Anwältin, Frau Mullis”. Die Beschwerdegegnerin reichte das Einvernahmeprotokoll in der Folge dem Zwangsmassnahmengericht als Beilage zum Entsiegelungsbegehren ein. Unter diesen Umständen war die Vorinstanz gehalten, Mitteilungen an den Beschwerdeführer in diesem Verfahren an Rechtsanwältin Mullis zu senden oder sich zumindest bei letzterer danach zu erkundigen, ob ein Vertretungsverhältnis besteht oder ihr eine Zustellungsadresse des Beschwerdeführers bekannt ist. Alleine der Hinweis der Beschwerdegegnerin im Entsiegelungsgesuch vom 7. Dezember 2023, es liege keine Vollmacht von Rechtsanwältin Mullis vor, rechtfertigt keine Mitteilung durch öffentliche Bekanntmachung. Gemäss den Ausführungen der Beschwerdegegnerin reichte Rechtsanwältin Mullis denn auch eine Vollmacht des Beschwerdeführers ein, nachdem ihr im Rahmen einer – eine spätere Anhaltung des Beschwerdeführers betreffenden – Akteneinsicht “irrtümlich” auch der beschwerdegegenständliche Entsiegelungsantrag mit den Beilagen übermittelt worden war (E. 2.3).