Unzulässige Urteilsberichtigung

In einem Berichtigungsbeschluss hat ein erstinstanzliches Gericht ausgeführt, die vorsätzliche Missachtung einer Ausgrenzung gemäss Art. 119 Abs. 1 AuG werde mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Im Urteil sei aber noch keine Geldstrafe ausgesprochen worden, weshalb das Urteil unvollständig sei. Die anschliessende “Berichtigung” erwies sich vor Bundesgericht als unzulässig (BGE 6B_115/2016 vom 25.05.2016, Publikation in der AS vorgesehen).

Das Bundesgericht stellt klar, dass nur Fehler im Ausdruck und nicht in der Willensbildung des Gerichts berichtigt werden können.

“Eine Entscheidung, die so gewollt war, wie sie ausgesprochen wurde, die aber auf einer irrtümlichen Sachverhaltsfeststellung oder auf einem Rechtsfehler beruht, kann nicht berichtigt werden” (E. 1.3).

Verletzt war zudem auch das Anklageprinzip. Angeklagt war die vorsätzliche Tatbegehung. Das angefochtene Urteil ging von Fahrlässigkeit und damit von einem anderen Sachverhalt aus:

Bei Fahrlässigkeitsdelikten sind in der Anklageschrift die Umstände anzugeben, aus denen sich ergeben soll, dass der Beschuldigte pflichtwidrig unvorsichtig gehandelt habe (…). In der Anklageschrift ist in einem Fall der vorliegenden Art darzustellen, welche Abklärungen der Beschuldigte nach welchen Umständen und persönlichen Verhältnissen hätte vornehmen sollen. Von all dem ist im Strafbefehl, der hier als Anklageschrift gilt, nicht die Rede (E. 2.5).

Schön, das wieder einmal so klar zu lesen. Die kantonale Praxis ist da teilweise viel grosszügiger, insbesondere in Kantonen wie Bern. Dort würde man mit dem folgenden Argument gegen eine Verletzung des Anklageprinzips entscheiden:

Allerdings hatte der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren Gelegenheit darzulegen, weshalb ihm entgegen der Auffassung der ersten Instanz in Bezug auf die Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung nicht Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Dies ändert indessen nichts daran, dass die Anklageschrift keine Sachdarstellung betreffend eine fahrlässige Deliktsbegehung enthält und daher die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung den Anklagegrundsatz verletzt (E. 2.6).