Unzuverlässiger Behördenkurier
Gleich zweimal musste das Bundesgericht Beschwerden einer Staatsanwaltschaft wegen Nichtwiederherstellung von Rechtsmittelfristen beurteilen. Die Berufungsinstanz hat in beiden Fällen den Massstab angewendet, den sie auch bei privaten Berufungsklägern anwendet. Das Bundesgericht sieht darin keinen überspitzten Formalismus (BGer 6B_848/2011 und 6B_849/2012 vom 06.07.2012). Daran änder nichts, dass die Staatsanwaltschaft auf einen internen Kurier vertraut hat. Die erfolglose Argumentation der Staatsanwaltschaft fasst das Bundesgericht im erstzitierten Entscheid wie folgt zusammen:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, wie in jahrelanger, unangefochtener und problemloser Praxis habe sie die Berufungserklärung einen Tag vor Fristablauf dem behördlichen und beamteten internen Kurier übergeben, wobei sie immer davon habe ausgehen können und dürfen, dass die Sendung anderntags beim Obergericht einging. Angesichts dieser bewährten Praxis widerspreche es dem Grundsatz von Treu und Glauben (überspitzter Formalismus), wenn die Vorinstanz Art. 91 Abs. 2 StPO im konkreten Fall derart formstreng und am Buchstaben haftend interpretiere. Zudem könne unter den erwähnten Umständen nicht von einem Verschulden der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 94 Abs. 1 Satz 2 StPO ausgegangen werden (E. 1).
In anderen Kantonen werden solche Probleme umgangen, indem die interne Post einfach etwas weniger transparent arbeitet mit der Folge, dass gar niemand merkt, wenn eine Behörde eine Frist verpasst hat. Da spricht man wahrscheinlich auch von “bewährter Praxis”.