Update: Beschlagnahme von Verteidigerhonorar
Die Verteidiger im Fall Dieter Behring hatten auch vor Bundesgericht keinen Erfolg mit ihrer Beschwerde gegen eine Beschlagnahmeverfügung der Bundesanwaltschaft. Diese hatte die Beschlagnahme der Restguthaben der Beschuldigten aus den an die Verteidiger geleisteten Vorschüssen von je CHF 250,000.00 beschlagnahmt (vgl. dazu meinen Beitrag nach dem Urteil des Bundesstrafgerichts).
Der Entscheid der I. Öffentlichrechtlichen Abteilung (Fünferbesetzung) ist heute online gestellt worden (1S.5/2006 vom 05.05.2006).
Die Verteidiger rügten zunächst erfolglos, der für eine Beschlagnahme erforderliche Tatverdacht fehle. Wer am Sachverhalt im Fall Behring interessiert ist, sollte die recht ausführlichen Passagen des Bundesgerichtsentscheids dazu lesen (E. 2).
Zu den Voraussetzungen der Beschlagnahme äusserte sich das Bundesgericht wie folgt:
Für den vom Anwalt gutgläubig entgegengenommenen Vorschuss lässt sich deshalb mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass dieser nur insoweit legalisiert und der Einziehung entzogen ist, als der Anwalt im Rahmen des vereinbarten Mandats gutgläubig Leistungen erbracht und insofern einen Honoraranspruch gegen seinen Mandanten erworben hat (E. 3.2.2).
Danach setzte es sich mit den in der Literatur geäusserten Bedenken gegen die Einziehbarkeit von Anwaltsvorschüssen und -honoraren und die daraus folgende mögliche Strafbarkeit von Anwälten wegen Geldwäscherei auseinander und stellte fest, dass viele der Probleme sich im vorliegenden Fall gar nicht stellten. Anwaltshonorare generell von der Einziehung auszunehmen, solange diese eine angemessene Entschädigung der Anwaltstätigkeit darstellen, und zwar unabhängig vom guten Glauben des Anwalts, setze jedenfalls eine entsprechende gesetzliche Regelung voraus und könne de lege lata nicht angewandt werden (E. 3.2.3). [Hier bin ich mit dem Bundesgericht nicht einverstanden. Die Beschlagnahme stellt einen Eingriff in verfassungsmässig geschützte Rechte dar. Im Rahmen des Prüfung der Rechtmässigkeit eines solchen Eingriffs kann das Programm nach Art. 36 BV doch wohl auch ohne gesetzliche Regelung abgearbeitet werden und zum Ergebnis führen, dass Anwaltshonorare nicht der Einziehung unterliegen. Im Ergebnis kehrt das Bundesgericht hier doch das Legalitätsprinzip um: Der Staat darf alles, was ihm das Gesetz nicht ausdrücklich verbietet].
Die vielleicht wichtigste Frage des Entscheids betrifft das Anwaltsgeheimnis. Die Beschwerdeführer machten geltend, die Offenlegung der Honorarnote nach aussen verletze das Anwaltsgeheimnis und das dem Beschuldigten garantierte Recht auf wirksame Verteidigung. Dazu das Bundesgericht:
Das Anwaltsgeheimnis erstreckt sich auf alles, was der Anwalt aufgrund seines Mandats wahrnimmt und erfährt, einschliesslich des Verhaltens des Klienten gegenüber dem Anwalt selbst (…). Es umfasst schon die Tatsache des Bestehens eines Mandats zwischen dem Anwalt und dem Mandanten […] Detailliertere Angaben über Art, Ort und Zeit der Vornahme bestimmter Leistungen können dagegen – auch wenn Namen anonymisiert werden – unter das Anwaltsgeheimnis fallen, wenn sie Rückschlüsse z.B. auf das Verhalten des Beschuldigten oder die Verteidigungsstrategie geben. Insofern ist für eine detaillierte und damit eine von der Bundesanwaltschaft bzw. der Beschwerdekammer überprüfbare Abrechnung die Entbindung der Verteidiger von der Schweigepflicht erforderlich (E. 5.3.1)
Das Bundesgericht interpretiert die Beschlagnahmeverfügung der BA im vorliegenden Fall als
Möglichkeit der beschwerdeführenden Anwälte, die von ihnen erbrachte Gegenleistung und deren Wert darzulegen und dadurch zu verhindern, dass ein nicht der Einziehung unterliegender Teil der Vorschussleistungen beschlagnahmt werde.Weigern sich die beschwerdeführenden Anwälte, eine Abrechnung zu erstellen, oder sind sie dazu – mangels Entbindung von der Schweigepflicht durch ihren Mandanten – nicht (bzw. nur in groben Zügen) berechtigt, so führt dies nicht zur Beschlagnahme des gesamten Vorschusses. Vielmehr muss dann die Bundesanwaltschaft den Betrag analog Art. 59 Ziff. 4 StGB schätzen. Dabei muss sie berücksichtigen, dass es sich um eine frei gewählte Verteidigung handelte, bei der sowohl die Stundensätze als auch Art und Umfang der Verteidungsleistungen grundsätzlich frei vereinbart werden können. Die Schätzung muss sich deshalb an Verteidigerhonoraren in vergleichbaren Fällen orientieren und darf nicht die bei einer amtlichen Verteidigung üblichen Ansätze zugrunde legen. Keinesfalls darf eine bewusst niedrige Schätzung als Druckmittel eingesetzt werden, um den Mandanten zum Verzicht auf das Anwaltsgeheimnis zu bewegen (E. 5.3.2).
Damit sind die nächsten Beschwerden vorprogrammiert.