Update: Dieter Behring liest Kafka
Heute hat das Bundesstrafgericht den Entscheid zu meinem früheren Beitrag online gestellt (BStGer BB.2012.39 vom 11.09.2012). Aus der Begründung:
Durch das Lesen des Buches während der Einvernahme störte der Beschwerdeführer das Verfahren grundsätzlich nicht, entstehen dadurch doch, im Gegensatz zum Lesen einer Zeitung, keine störenden Geräusche. Das Lesen eines Buches kann auch nicht als Anstandsverletzung angesehen werden, wie es die Beschwerdegegnerin offenbar tat; vielmehr ist dieses als aktive Ausübung des Aussageverweigerungsrechtes einzustufen. Die verfahrensleitende Verfügung war vorliegend somit in dem Umfang ungültig, als damit dem Beschwerdeführer das Lesen des Buches verboten wurde. Der entsprechende Verstoss des Beschwerdeführers gegen die verfahrensleitende Verfügung konnte deshalb auch nicht mit Ordnungsbusse gemäss Art. 64 StPO geahndet werden. Fragen könnte man sich allenfalls, ob das Verbot des Buchlesens mit der Begründung hätte gerechtfertigt werden können, der Beschwerdeführer werde durch das Lesen des Buches in der Wahrnehmung seines rechtlichen Gehörs eingeschränkt, indem er den gestellten Fragen nicht mehr folgen konnte und so nicht genügend über die Vorhalte informiert wurde. Dies ist vorliegend zu verneinen. Der Beschwerdeführer hat zwar im Buch gelesen, doch ist nicht davon auszugehen, dass er den Fragen bzw. Vorhaltungen der Beschwerdegegnerin nicht hätte folgen können. Die Verfahrensleitung hat nicht die Pflicht, alles Mögliche zu unternehmen, dass die beschuldigte Person ihr Recht auf rechtliches Gehör wahrnimmt, sondern lediglich, dass diese die uneingeschränkte Möglichkeit dazu hat. Verweigert die beschuldigte Person ihre Mitwirkung wie vorliegend gänzlich, dann ist dieser Umstand als Wahrnehmung des Rechts auf Verweigerung der Mitwirkung zu verstehen. Bei Beschuldigten hat die einzuvernehmende Person das Aussageverweigerungsrecht zu beachten, und sie darf die Ausübung dieses Rechts nicht durch den Erlass einer verfahrensleitenden Anordnung stören. Die verfahrensleitende Anordnung ist nur gültig, wenn sie einen Inhalt hat, der für die Weiterführung des Verfahrens notwendig und angemessen ist (vgl. oben E. 2.2). Vorliegend ist diese Notwendigkeit und Angemessenheit für die Anordnung, dem Beschuldigten werde untersagt, während der Befragung ein Buch zu lesen, nicht gegeben. Wie bereits zuvor festgehalten, störte der Beschwerdeführer durch das Lesen des Buchs das Verfahren in keiner Weise. Es trifft zwar zu, dass sich der Beschwerdeführer gemäss Protokoll anlässlich der Einvernahmen teilweise problematisch verhalten hat: die Ordnungsbussen wurden jedoch nicht wegen diesem Verhalten, sondern einzig wegen dem Lesen des Buches auferlegt (act. 3.2. S. 5 und act. 3.3, S. 12) [E. 2.4].