Update: Entscheid gegen Trojaner

Ein Leser hat mich verdankenswerter Weise auf die Publikation des Entscheids aufmerksam gemacht: GVP 2006 Nr. 106 (S. 295 f.). Hier der Volltext der Publikation:

Art. 152 StP (sGS 962.1). Der Vollzug der Überwachung des Fernmeldeverkehrs obliegt ausschliesslich dem beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Energie und Kommunikation (UVEK) angesiedelten Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.

Präsident der Anklagekammer, 24. November 2006

In einem Strafverfahren wegen Verdachts auf qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde unter anderem die Überwachung von zwei bestimmten E-Mail-Adressen auf dem PC des Angeschuldigten genehmigt. In der Folge ersuchte das Untersuchungsamt um Erteilung der Genehmigung zur Einrichtung eines Computerprogramms zwecks aktiver Überwachung des PC. Dies wird im Wesentlichen mit Vollzugsproblemen begründet, weil das UVEK bzw. dessen für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs zuständigen Dienstes nicht in der Lage sein soll, die angeordnete und genehmigte Überwachungsmassnahme zu vollziehen. Der Präsident erteilte die Genehmigung im Sinne der Erwägungen nicht.

Aus den Erwägungen:
5. Um den «Vollzugsnotstand» zu beheben, beabsichtigt das Kantonale Untersuchungsamt die Einschleusung eines Computerprogramms auf dem PC von X. Y., mit welchem der gesamte E-Mail- und Chat-Verkehr des Angeschuldigten überwacht und zusätzlich noch die Festplatte durchsucht werden soll.

Das vom Kantonalen Untersuchungsamt in Aussicht genommene Vorgehen wirft diverse Fragen grundsätzlicher Natur auf. Zunächst einmal erscheint die Vermengung von Überwachung des E-Mail- und Chat-Verkehrs einerseits und die Ausforschung der Festplatte (inkl. temporärer Dateien) andererseits nicht unproblematisch zu sein. Während es sich bei der ersten Massnahme um eine Überwachung von laufenden Kommunikationsvorgängen handelt, stellt die zweite Massnahme in rechtlicher Hinsicht eine geheime Durchsuchung eines Datenträgers mit Hilfe (fernmelde-)technischer Überwachungsgeräte dar.

Die Überwachung des Fernmelde- und Internetverkehrs ist im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs abschliessend geregelt. Das BÜPF gilt für alle staatlichen, konzessionierten oder meldepflichtigen Anbieterinnen von Post- und Fernmeldedienstleistungen sowie für Internet-Anbieterinnen (Art. 1 Abs. 2 BÜPF). Im Hinblick auf die Anordnung und die Genehmigung der Überwachung enthält das BÜPF detaillierte Regelungen (Art. 6 f. BÜPF). Der Vollzug der Überwachung obliegt dem beim UVEK angesiedelten Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 2 Abs. 1 BÜPF). Der Dienst hat insbesondere die Anbieterinnen von Fernmeldediensten anzuweisen, die für die Überwachung notwendigen Massnahmen zu treffen (Art. 13 Abs. 1 lit. b BÜPF), den von den Anbieterinnen umgeleiteten Fernmeldeverkehr entgegenzunehmen, aufzuzeichnen und der Anordnungsbehörde die Dokumente und Datenträger auszuliefern (Art. 13 Abs. 1 lit. c BÜPF) sowie für die Durchführung von Direktschaltungen zu sorgen (Art. 13 Abs. 1 lit. d BÜPF). Der Dienst bestimmt denn auch die technischen und organisatorischen Massnahmen zur Durchführung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs (Art. 17 Abs. 1 VÜPF) und des Internetverkehrs (Art. 25 Abs. 1 VÜPF).

Mit dem Erlass des BÜPF hat der Bund die alleinige Kompetenz für die Regelung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs beansprucht. Er hat damit aber auch – abgesehen von den kantonal geregelten Anordnungs- und Genehmigungskompetenzen – die alleinige Verantwortung für die technischen und organisatorischen Massnahmen zur Durchführung der Überwachung übernommen.

Falls sich nun (tatsächliche oder vermeintliche) Probleme mit dem Vollzug rechtmässig angeordneter und genehmigter Überwachungsmassnahmen ergeben, kann es nicht Sinn der neu eingeführten bundesrechtlichen Regelung sein, allfällige Vollzugsprobleme mit dem auf kantonalem Recht beruhenden Einsatz technischer Überwachungsgeräte zu lösen.

Der Staatsanwaltschaft bzw. der kantonalen Polizei ist es in diesem Sinn verwehrt, mit eigenen technischen Mitteln in das verfassungsmässige Recht auf Achtung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 13 Abs. 1 BV) einzugreifen. Der vom Kantonalen Untersuchungsamt angeordnete Einsatz technischer Überwachungsgeräte zur Überwachung des E-Mail- und Chat-Verkehrs von X. Y. stellt in diesem Sinn nichts anderes als eine Umgehung der vom Bundesgesetzgeber getroffenen Zuständigkeitsregeln dar. Eine Genehmigung zum Einsatz technischer Überwachungsgeräte kann deshalb – soweit mit den technischen Überwachungsgeräten der Fernmeldeverkehr überwacht werden soll – nicht erteilt werden. Hingegen bleibt ausdrücklich festzuhalten, dass die Genehmigung zur Überwachung der beiden E-Mail-Adressen … bereits mit Entscheid vom 8. November 2006 erteilt worden ist.

Was soll man dazu sagen? Vollste Zustimmung!