Update: Geheimplan gegen Roschacher

Wenn man aus Gründen des guten Stils und neuerdings auch wegen der neu entdeckten Gewaltentrennung nicht mehr sagen darf was man denkt, umschreibt man das Gedachte und insinuiert.

  • Beispiel GPK-N: Nachdem der Presse (Blick und TA) Dokumente zugespielt wurden, die daraus einen „Geheimplan gegen Roschacher“ machte, präsentiert die GPK-N Kopien dieser Dokumente, beschreibt und deutet sie, erkennt ihnen möglicherweise staatspolitische Tragweite zu. Der erschütterte Zuhörer versteht sofort: Hier geht es um eine von langer Hand gepante Intrige gegen den Bundesanwalt, an der Bundesräte, Parlamentarier und Journalisten mitgewirkt haben. Von einem Komplott gesprochen zu haben, weist die GPK-N – empört über einen solchen Vorwurf – in aller Schärfe zurück: „Das Wort Komplott haben wir bewusst nicht gebraucht“ (vgl. meinen früheren Beitrag). Ergebnis: Wir sagen bewusst nicht, was die Zuhörer denken sollen. Sagen die dann aber, was sie denken sollen, verfallen sie in schlechten Stil.
  • Beispiel NZZ: Unter dem Titel „In den Mühlen eines veralteten Gesetzes“ wird das Verfahren gegen Oskar Holenweger beschrieben, indem die bekannten Fakten in den Kontext des Gesetzes gestellt werden. Der Beitrag ist für Fachleute wertlos und für Nichtjuristen ohne Informationswert, weil die entscheidenden Rechtsbegriffe wie Tatverdacht oder hinreichender Tatverdacht und ihre praktische Bedeutung nicht erklärt werden. Die Rechtsbegriffe werden als bekannt vorausgesetzt, offenbar weil sie umgangssprachlich bekannt sind, was nun halt nicht dasselbe ist:

    Basierend auf diesen Vorabklärungen, musste die Bundesanwaltschaft zur Erkenntnis gelangt sein, ihre Zuständigkeit und ein hinreichender Verdacht auf eine strafbare Handlung seien gegeben, denn sonst hätte sie die – Aussenstehende auch heute noch abenteuerlich anmutenden – Beschuldigungen nicht weiter verfolgen dürfen.

    Irgendwann im Herbst 2003 muss dann bei der Bundesanwaltschaft unter Leitung von Valentin Roschacher die Erkenntnis gereift sein, Holenweger sei des Verbrechens der Geldwäscherei dringend verdächtig und es liege Flucht- oder Kollusionsgefahr vor. Nur unter diesen Voraussetzungen darf der Haftbefehl vom Bundesanwalt erlassen werden.

    Für die Bundesanwaltschaft (BA) musste sich durch die Ermittlungsergebnisse der Anfangsverdacht verdichtet haben. Denn nur dann durfte sie den nächsten Schritt unternehmen, den Fall also an das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt (URA) weiterleiten.

    Was damit insinuiert wird ist offensichtlich: Holenweger kann so unschuldig nicht sein und Roschacher hat nur seine Pflicht getan. Genauso versteht es jedenfalls der erste Leserkommentar auf der NZZ-Homepage:

    Der berüchtigte Ramos hatte lediglich den heissen Tipp geliefert, der den Bundesanwalt auf Holenwegs Spur gebracht hatte. Den Verdacht gegen den „unbescholtenen Bürger“ zu überprüfen, war dessen gesetzliche Pflicht. Ein Verdacht, der sich offensichtlich erhärtete. Und ein Verfahren, das dazu führte, dass Rorschacher gehen musste.

Es darf an dieser Stelle daran erinnert werden, dass die Bundesanwaltschaft und ihre Chefs (nicht nur Roschacher) nun wahrlich nicht erst im Zusammenhang mit Holenweger/Ramos kritisiert wurden (vgl. etwa meine früheren Beiträge hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier). Richtig ist allerdings auch, dass der Bundesstrafprozess nicht effizient ist und die Kritik an der BA auch systembedingt ist.