Update: Rückblick auf Rupperswil und Antennensuchlauf
Wie die heutige Ausgabe der Solothurner Zeitung zeigt, bin ich nicht der Einzige, der bezweifelt, dass die Überführung von Thomas N. auf den durchgeführten Antennensuchlauf zurückzuführen ist (vgl. meinen letzten Beitrag dazu). Die SZ geht nun aber deutlich weiter und spricht im heutigen Beitrag von Legendenbildung. Sie erklärt, warum die Wissenschaft das Märchen glauben wollte.
Auch die SZ thematisiert nicht, dass sich die Justiz nicht für Fragen um Beweise oder Beweisverwertung interessiert hat, Das halte ich weiterhin für vollkommen unbegreiflich und unhaltbar.
Meine Rede. Was Forster hier macht, erscheint auch mir als wenig seriös. Bloss muss man den AS nicht verteufeln. Bei mehreren Taten an verschiedenen Standorten taugt er wohl sehr viel. Und wenn man sieht, dass dieser Täter weitere Taten geplant hatte, hätte der AS, welcher ja nur sechs Monate lang möglich ist, eine Investition in die Zukunft sein können. Insofern war die Kapo hier wohl (gottseidank) anderweitig zu schnell, um vom AS profitieren zu können resp. zu müssen.
Und zur Verhältnismässigkeit: Die Aufwändigkeit der Analyse der AS verhindert mit Garantie einen massenhaften Einsatz…
@KR: Mit allem einverstanden. Der AS ist aber auch brandgefährlich. Was machen wir mit einem Unschuldigen, der in einem AS aus reinem Zufall hängenbleibt und seine Unschuld nicht beweisen kann?
Seit wann müsste ein solcher seine Unschuld beweisen…
@Anonymous: Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. In dubio pro reo.
@kj: Das ist bei der Beweiswürdigung selbstverständlich zu berücksichtigen. Einzig und alleine gestützt auf die Ergebnisse eines AS wird nach meiner Vorstellungskraft niemals jemand verurteilt. Dass der (vorübergehende) Tatverdacht einen Unschuldigen treffen kann und dieser Zwangsmassnahmen erduldet resp. erleidet, ist hingegen keine Spezialität des AS. Abgesehen davon besteht das identische Problem in Analog, wenn bpsw. jemand mit seinem Auto an drei verschiedenen Tatorten Zeugen aufgefallen ist.
Was genau ist eigentlich Ihr Problem mit dem AS?
@KR: Damals war das Problem die fehlende gesetzliche Grundlage. Heute ist es das, was es mit jeder Raster-/Schleierfahndung ist. Ein ausschliesslich AS-spezifisches Problem sehe ich nicht (mehr).
Der Antennensuchlauf geht zwischenzeitlich über 12 Monate…
@John: Nein.
Dass der Antennensuchlauf wenig erfolgsversprechend war, erscheint im Nachhinein aufgrund des Wohnorts des Täters in der Nähe der Opfer als einleuchtend. Aber versuchen musste man es damals halt.
Ich glaube, der Durchbruch hatte mit den trotz dem Brand aufgefundenen DNA-Spuren und Fingerabdrücken zu tun. Da stellt sich nun die Frage, wie man die Vergleichsproben des nicht-erfassten Täters erhoben hatte (bzw. ich gehe nicht davon aus, dass sie ihn verhafteten ohne diesen Abgleich, es gab ja keine weiteren bekannten Hinweise auf die Täterschaft). Auf der anderen Seite gab es eine leichte, angesichts der Schwere des Delikts knapp begründbare Verdachtslage als Trainer des sexuell missbrauchten Jungen (plus wegen seiner mutmasslich auf der Antenne registrierten Nummer).
Und DNA-Proben und Fingerabdrücke kann man sich theoretisch mit einem gewissen Aufwand bei einem kleinen Kreis von verdächtigen Personen auch geheim besorgen (Observation, Spuren nachträglich sichern) und auswerten lassen, unter späterer Eröffnung der Verfügung. Ich denke, das könnte vielleicht der gangbare Weg gewesen sein.
Vom Hörensagen vernimmt man, dass im unmittelbarem Nachgang an die Tat eine grössere Verkehrskontrolle im umkreis des Tatorts vorgenommen wurde. Ein Schelm der denkt, dies könnte allenfalls etwas mit den Ermittlungen zu tun haben… *DNA*… *Hust*.
Was zur Überführung geführt hatte, war wahrscheinlich ein aussergewöhnlicher Hinweis von einer ganz bestimmten Person.
Als Nachtrag:
https://www.blick.ch/schweiz/mittelland/blick-enthuellt-5-jahre-nach-der-horror-tat-von-rupperswil-ag-so-wurde-der-vierfachmoerder-wirklich-gefasst-id16262602.html
@HP Seipp: habe es gesehen. Der Antennensuchlauf enthält wohl einen Zirkelschluss.
Im Ergebnis eine heimliche DNA-Abnahme. Ist das so klar zulässig? Grundlage? Wieso wurde beim Verdächtigen nicht formell ein DNA-Test angeordnet, sondern eine vorgespielte Verkehrskontrolle durchgeführt?
@Anonymous: Es ist natürlich nicht zulässig. Ich glaube aber auch nicht, dass es so war. So dämlich sind die Untersuchungsbehörden kaum.
und war das so legal? einen vermutlich nicht angetrunkenen blasen zu lassen, um an seine dna zu kommen?
@orib. Wer sagt denn, dass eine verkehrskontrolle nur für alkohol am steuer zulässig ist?
Mein Respekt für die Polizei und Justiz im Kanton Aargau. Die haben das super gemacht. Und weitere Opfer verhindert.
Warum das nicht früher publiziert wurde? Das Vorgehen war ja nicht unbedingt etwas, dass man unbedingt geheim halten musste. Es zeigt für mich exemplarisch einen wehrhaften Rechtsstaat auf, mit dessen Aufgaben grundsätzlich integre, gut ausgebildete und motivierte Beamtinnen und Beamte betraut sind.