Update: Staatsanwaltschaft c. Verteidigung
Malo macht mich auf eine Erwägung aufmerksam, die dem zur Publikation vorgesehenen Urteil des Bundesgerichts (BGE 1B_419/2014 vom 27.04.2015) zu entnehmen ist, das ich hier kurz angesprochen hatte. In der Hitze des damaligen Gefechts hatte ich eine spektakuläre Erwägung überlesen:
Nach Erhebung der Anklage wird die Staatsanwaltschaft dagegen wie die beschuldigte Person und die Privatklägerschaft zur Partei (Art. 104 Abs. 1 StPO). In diesem Verfahrensstadium ist die Staatsanwaltschaft definitionsgemäss nicht mehr zur Unparteilichkeit verpflichtet und hat sie grundsätzlich die Anklage zu vertreten (Art. 16 Abs. 2 StPO). Insoweit gewähren weder Art. 29 Abs. 1 noch Art. 30 Abs. 1 BV noch Art. 6 Ziff. 1 EMRK dem Beschuldigten einen besonderen Schutz, der es ihm erlauben würde, sich über die Haltung des Staatsanwalts und dessen Äusserungen in den Verhandlungen zu beschweren (BGE 138 IV 142 E. 2.2.2 S. 145 mit Hinweisen) [E. 3.2.2, Hervorhebungen durch mich].
Gut zu wissen, aber wetten, dass diese Erwägung nicht publiziert wird?
Es steht dem Staatsanwalt grundsätzlich frei, ob, wie und wieviel er anklagen will. Das Gericht befindet nur darüber, was die Menukarte des Anklägers enthält. Von daher darf der STA von Beginn weg Partei sein, z.B. wenn er unpässliche Angeklagte schonen möchte. Wird z.B. nur die Unterlassung von Nothilfe angeklagt, obwohl die Not-Situation aus zuvor zugefügter schwerer Körperverletzung durch die gleiche Täterschaft entstanden ist, so beschränkt sich die richterliche Beurteilung nur auf diesen Anklagepunkt. Dies wurde z.B. im Fall LUCHS (es ging um 2 angeblich irrtümlich überfallene Jugendliche) durch das Schwyzer Strafgericht erfolgreich praktiziert.
Einer Behörde bzw. einem Behördenmitglied (wie z.B. einem Staatsanwalt) steht nie einfach etwas frei. Sie hat sich immer an die gesetzlichen Aufgaben und Pflichten zu halten. Hat sie ein Ermessen, hat sie dieses pflichtgemäss auszuüben. (Wobei man sich im Nachhinein natürlich immer streiten kann, ob ein Entscheid denn nun richtig oder falsch war.)
Da kennen Sie die Praxis in Schwyz noch nicht. Dort wird vielfach nur angeklagt – wenn überhaupt – was vor Gericht zu einem Freispruch oder einer Kleinststrafe führen wird, so auch im Fall IPCO. Im Fall LUCHS vergingen schon 5 Jahre, bis die Beschuldigten überhaupt erstmals befragt wurden. Deren Namen wurden in den Akten durch Nummern ersetzt, da sie ja Land und Leute schützen und der Immunität bedürfen. Insgesamt 6 Einstellungen der Strafuntersuchungen scheiterten am Widerstand des Kantonsgerichts, was wesentlich zum späteren, aber noch immer anhaltenden Justizskandal beitrug. Geändert hat diese Praxis bislang nicht.
Es stellt sich die Frage, ob die Staatsanwatlschaft dann gestützt auf Art. 127 StPO einen Rechtsbeistand bestellen könnte.