Update: Stoll c. Suisse

Die Schweiz hat mit der Verurteilung von Martin Stoll doch nicht gegen die Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 EMRK verstossen (vgl. dazu meinen früheren Beitrag). Zu diesem Schluss kommt die Grosse Kammer des EGMR mit 12:5 Richterstimmen (Application no. 69698/01). Sie wiegt das Informationsbedürfnis der Bevölkerung gegen die notwendige Vertraulichkeit des diplomatischen Verkehrs auf und zieht auch in Erwägung, dass Stoll lediglich zu einer Busse von CHF 800.00 verurteilt worden war:

In the instant case it should be observed that the penalty imposed on the applicant could hardly be said to have prevented him from expressing his views, coming as it did after the articles had been published (Rz. 156 des Entscheids).

Zum Verhängis wurde Stoll wohl die skandalisierende Form seines Berichts und – paradoxerweise – dass er nur einen Teil des vertraulichen Dokuments publiziert hatte.

Ich halte den Entscheid für falsch. Überzeugender erscheint mit die ebenfalls publizierte “dissenting opinion” des italienischen Richters, dem sich Richterinnen und Richter aus Deutschland, Schweden und Serbien anschlossen.