Update: Verhandlungsscheue Richter

Erneut qualifiziert das Bundesgericht ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau als willkürlich (BGer 6B_622/2014 vom 20.01.2015).

Das Bundesgericht stört sich insbesondere daran, dass das Obergericht trotz früherer höchstrichterlicher Beanstandungen möglichst nur schriftliche Verfahren durchführen will, und zwar auch in Fällen, in denen das schriftliche Verfahren eine zuverlässige Beweiswürdigung nicht zulässt:

Das Bundesgericht hat in seiner jüngeren Rechtsprechung – der auch Entscheide der Vorinstanz zugrunde lagen (Urteile 6B_4/2014 vom 28. April 2014 E. 4; 6B_599/2012 vom 5. April 2013 E. 3.3.2 und 4.3) – wiederholt betont, dass das Berufungsverfahren grundsätzlich mündlich ist und das schriftliche Berufungsverfahren nach der Intention des Gesetzgebers die Ausnahme bildet (BGE 139 IV 290 E. 1.1 S. 291 f.; Urteile 6B_419/2013 vom 26. September 2013 E. 1.1; 6B_634/2012 vom 11. April 2013 E. 2.3.2; je mit Hinweisen; vgl. auch Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1316 Ziff. 2.9.3.2 zu Art. 412 StPO). Aussagen sind in der Regel vom urteilenden Gericht zu würdigen (BGE 137 IV 122 E. 33). In Situationen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht, ist die unmittelbare Wahrnehmung der aussagenden Personen durch das Gericht unverzichtbar, andernfalls beruht die Aussagenwürdigung auf einer unvollständigen Grundlage (letztmals Urteile 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 E. 4.4.1 – 4.4.3, zur Publikation vorgesehen; 6B_98/2014 vom 30. September 2014 E. 3.8; vor Erlass des angefochtenen Entscheids: Urteile 6B_856/2013 vom 3. April 2014 E. 2.2; 6B_718/2013 vom 27. Februar 2014 E. 2.5; je mit Hinweisen).

Im konkreten Fall wird der Vorinstanz vorgeworfen, ihre Beweiswürdigung sei unvollständig. Sie habe sich mit Aussagen des Beschwerdeführers und der Auskunftspersonen nicht auseinandergesetzt und sie habe weder das Opfer noch die Gutachterin einvernommen, obwohl dazu Anlass bestand.

Die teilbedingte Freiheitsstrafe, die das Obergericht verhängt hatte, beträgt lediglich drei Jahre. Da muss man es ja nicht so genau nehmen, oder?